Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift
organisieren, das er auf dem Weg hierher beim Bäcker gekauft hatte. Mit leerem Magen dachte es sich so schlecht.
Dann fiel ihm ein, dass er seiner Mutter noch absagen musste. Mittwochs ging er normalerweise nach der Arbeit mit einem Tablett Kuchen zu ihr. Ein gemütliches, regelmäßiges Beisammensein, das sie eingeführt hatten, seit sein Vater, der ihm dereinst Hausverbot erteilt hatte, auf dem Friedhof lag. Es war höchste Zeit, denn es war schon Viertel nach vier. Seine Mutter hatte bestimmt schon den Kaffee aufgesetzt ...
Er wollte zum Telefonhörer greifen und zuckte zusammen, als es genau in diesem Moment klingelte.
»Broders?« Der Anruf kam von intern.
»Hier ist eine Frau Widmann am Apparat. Sie hat in der Einsatzleitstelle angerufen, aber es könnte was für Sie sein. Soll ich durchstellen?«
»Ja, nur zu ...«
Widmann, Widmann? Sollte ihm der Name etwas sagen? Es knackte kurz in der Leitung, dann vernahm er eine atemlose Frauenstimme.
»Hallo?«
»Broders, Kriminalpolizei, mit wem spreche ich?«
»Das habe ich nun schon drei Mal gesagt. Gesa Widmann! Ich arbeite im Pflegeheim Waldesruh hier in Barsinghausen. Ich möchte einen ... äh Vorfall melden, von dem Sie, wie ich finde, Kenntnis haben sollten.«
Drückte sich die Frau immer so geschraubt aus oder nur, wenn sie mit der Polizei sprach?
»Was ist passiert?«
»Ich hatte gerade eine Ahnenforscherin hier, die einen meiner Patienten besuchen wollte. Einen Patienten, der aber leider in der letzten Nacht verstorben ist. Ich hatte es nicht mehr rechtzeitig geschafft, Frau Schwarz, also der Ahnenforscherin, Bescheid zu sagen, dass der Herr Heck tot ist. Sie war umsonst hier und schrecklich enttäuscht, was man ja verstehen kann ...«
»Ja«, erklärte Broders aufmunterd. Bei sich dachte er, dass er wohl doch nicht der richtige Adressat für diesen Anruf sei.
»Sie hatte noch eine Freundin mitgebracht, die den alten Herrn auch besuchen wollte. Als diese Freundin von mir erfuhr, dass sie umsonst hergekommen ist, wurde sie richtig unangenehm ...«
»Inwiefern?«
»Als ob sie jeden Moment ausrasten würde. Ich betreue hier tagtäglich die unterschiedlichsten Menschen, aber die war wirklich die Härte. Ich hatte irgendwie das Gefühl, als ob sie die andere, diese Frau Schwarz, mit irgendetwas bedrohen würde. Die Frau Schwarz ist auch totenblass geworden.«
»Und dann?«
»Dann sind sie wieder gegangen. Frau Schwarz hat mich aber angesehen, als ob sie mich um Hilfe bäte. Sie sind gerade weg.«
»Wie wurde Frau Schwarz bedroht?«
»Also. Als die andere hörte, dass Herr Heck verstorben ist, da wurde sie richtig heftig. Sie packte Frau Schwarz am Arm, und ich hatte den Eindruck, dass sie ... das klingt jetzt blöde, aber vielleicht hatte sie eine Waffe dabei. Sie hatte ihre Jacke so komisch über dem Arm. Sie hat Frau Schwarz auch irgendetwas ins Ohr geflüstert.«
Broders strich sich durch den dichten kurzen Bart und dachte nach.
»Frau Widmann. Wie sahen die Frauen aus?«
»Frau Schwarz ist so Ende 20, blond und sehr hübsch ... Die andere war etwas älter, aber nicht viel. Gut gekleidet – ihr Aussehen hat mich etwas irritiert ...«
»Wieso das?«
»Mein Patient, der Heck, hat mich manchmal mit einer Frau verwechselt, die er wohl von früher kannte. So etwas passiert hier natürlich ab und zu. Aber die Frau, die eben zu Heck wollte, die sieht, na ja, sie hat auf gewisse Weise Ähnlichkeit mit mir. Sie hatte auch Sommersprossen und kupferrotes Haar. Als Naturfarbe ist das ziemlich selten, und gefärbt war die nicht ... Die hatte etwas mit dem Verstorbenen zu tun, da bin ich mir sicher.«
Frau Widmanns Aussage hörte sich zwar etwas wirr an, aber ihre Beschreibung der zweiten Frau stimmte mit Dorothea Bauer überein. Diese Frau Schwarz passte allerdings nicht ins Bild. Sie war blond, und Marlene Liebig hatte braunes, langes Haar. Er musste diesen Vorfall aber in jedem Fall überprüfen.
»Wie finden wir zu Ihnen, wo genau in Barsinghausen liegt das Pflegeheim?«
Gesa Widmann nannte die Adresse.
»Warten Sie auf uns, wir kommen gleich zu Ihnen und möchten Ihnen noch ein paar Fragen stellen.«
»Oh, und ich dachte schon, bei der Polizei nimmt einen niemand ernst.«
Die Frau hängte ein. Broders stürzte den Rest Kaffee hinunter, das Brötchen ließ er liegen. Er brauchte einen Einsatzwagen, er brauchte Verstärkung, er brauchte die Korittki! Hastig wählte er ihre Nummer.
In Anbetracht seiner hektischen Zusammenfassung der
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