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Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift

Titel: Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt , luebbe digital
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über die letzte Hochzeitsfeier im Hochadel. Das ist ja auch einschläfernd, dachte sie, mit Blick auf die Hüte, Kostüme und aufgesetzt lächelnden Gesichter.
    Wohlweislich hatte sie ihre Uhr nach dem letzten Rundgang auf Weckruf programmiert. Die nächste Runde stand an. Es war jetzt kurz nach Mitternacht.
    Gesa erhob sich und rieb sich den steif gewordenen Rücken. Trotz des Sweatshirts, das sie unter ihrem Kittel trug, und der dicken Strickjacke darüber war ihr kalt geworden. Mit einem Seufzer strich sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und schlüpfte in ihre Gesundheitssandalen. Nachts zog sie immer zwei paar Wollstrümpfe übereinander, sodass ihre Füße kaum noch zwischen Fußbett und Lederriemen der Schuhe passten.
    In den Zimmern war bisher alles ruhig geblieben, niemand hatte nach ihr geklingelt. Ein paar der Patienten musste sie jetzt umlagern, die Katheter überprüfen und zusehen, dass alle Alten zugedeckt in ihren Betten lagen.
    Als sie aus dem erleuchteten Schwesternzimmer trat, blieb sie kurz stehen, um ihre Augen an die Dunkelheit im Flur zu gewöhnen. Nur die Nachtbeleuchtung brannte und verbreitete eine Stimmung wie auf einem verlassenen Raumschiff. Irgendwo hockte das Alien in den Lüftungsschächten, ein schleimiger Tropfen gelben Speichels war durch ein Deckengitter getropft und glitzerte böse im Zwielicht.
    Es war natürlich nur ein Überrest des Abendessens, den ein Patient im hohen Bogen ausgespuckt hatte. Die Putzkolonne verrichtete schon am frühen Nachmittag ihre Arbeit, was danach geschah, verblieb so bis zum nächsten Tag. Überall wurde gespart. Gesa schalt sich selbst eine Närrin und nahm sich vor, sich in Zukunft weniger Blödsinn im Fernsehen anzusehen. Aliens!
    Hier hockte nichts als der Tod, und der interessierte sich hoffentlich nicht für eine junge, knackige Altenpflegerin, wie sie eine war, wenn in den Zimmern reichlich fette Beute auf ihn wartete. Sie musste über die »fette Beute« lächeln, denn die meisten Patienten waren Federgewichte. Gesa hob und bewegte sie ganz allein, obwohl sie selbst gerade mal 56 Kilo wog.
    Drei Bahnen noch, ermunterte sie sich selbst, wie beim Schwimmtraining damals. Drei Bahnen bedeuteten drei Rundgänge über die Station, dann hatte sie es für heute geschafft. Sie löste sich vom Türrahmen des Schwesternzimmers und schritt den Gang hinunter.
    In den ersten drei Zimmern war alles in Ordnung. Gesas Augen hatten sich an das schummrige Licht gewöhnt, und die Bewegung half ihr, das Frösteln zu überwinden, das zu dieser späten Stunde fast ihr ständiger Begleiter war. Die Patientin im nächsten Raum warf sich unruhig im Schlaf hin und her und murmelte etwas. Gesa wäre am liebsten gleich wieder hinausgeschlichen, um sie nicht zu wecken, doch die Bettdecke war halb über das Schutzgitter gerutscht und konnte jeden Moment auf dem Fußboden landen.
    Die Frau schreckte hoch, als sich Gesa dem Bett näherte, und blinzelte sie erschrocken an. »Schon so spät? Mutti muss aufstehen ...« Sie bewegte sich unruhig, und Gesa fasste sie an der Schulter und murmelte etwas, das die Frau beruhigen sollte. Bitte nicht wieder die Litanei.
    »Ich hab verschlafen, Mutti muss aufstehen ...«
    »Es ist mitten in der Nacht, Frau Scholdt. Schlafen Sie weiter.«
    »Nein, Mutti muss aufstehen, Mutti muss zu den Hühnern ...«
    »Frau Scholdt, es ist Mitternacht, schlafen Sie weiter.«
    »Mutti muss nach den Hühnern sehen!«
    »Frau Scholdt, hier gibt es keine Hühner!«
    Das war ein Fehler.
    »Was? War der Fuchs schon wieder da? Meine Hühner, sind Muttis Hühner tot, alle tot? Lassen Sie mich los, Frau. Mutti muss aufstehen ...«
    Gesa hätte schreien mögen vor Überdruss. Frau Scholdt saß jetzt senkrecht im Bett, ihre Augen waren weit aufgerissen, und sie zerrte an den Knöpfen ihres Nachthemdes.
    Normalerweise hätte Gesa jetzt Tia Maria oder eine der anderen Pflegerinnen zu Hilfe gerufen, denn wenn Frau Scholdt sich in etwas hineinsteigerte, half nur noch ein sehr fester Griff und eine tiefe, energische Stimme. Gesa, die sich verunsichert fühlte, konnte weder mit dem einen noch mit dem anderen aufwarten. Aber sie war allein. In ihrer Not redete sie einfach weiter drauflos. »Ich geh und sehe nach den Hühnern, Mutti. Leg dich wieder hin und schlaf weiter. Du bist krank und musst dich mal ausruhen Ich kümmere mich um alles.«
    »Wirklich? Mutti muss ...«
    »Mutti muss schlafen. Ich kümmere mich um alles.«
    »Mutti muss ... Mutti ...«
    »Mutti

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