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Blaufeuer

Titel: Blaufeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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Familientradition ist es schwer, ganz schwer. Bootsbau ist ein traditionsreiches Gewerbe, und das Gespür für die See muss man ohnehin im Blut haben. So wie Pauls Lehrherr, der alte Krüss.«
    »Zum Glück habt ihr ja den richtigen Ersatzmann am Start, nicht wahr?«, sagt der Mann von den Freifallrettungsbooten zu Birger. »Du hast die Kuh doch schon mal vom Eis geholt. Warum sollte dir das kein zweites Mal gelingen?«
    »Ja, was wäre die Flecker-Werft ohne Birger Harms?«, fragt Tönnis. »Ist es nicht so, Birger, für die Fleckers tust du alles?«
    »So ist es«, bestätigt Birger.
    Janne befördert das letzte Sushi-Röllchen vom Teller in ihren Mund. Genau genommen schmecken sie ihr nicht besonders gut, nur anders. Die Umstehenden sehen das ähnlich. So wird beschlossen, im kommenden Jahr auf den fernöstlichen Büffet-Flügel zu verzichten.
    »Gut, dass Krüss das nicht mehr erleben muss«, sagt Tönnis, und es bleibt unklar, ob er damit das Sushi meint oder die Tatsache, dass Birger Harms für die Fleckers alles tun würde.
     
    Janne fährt Birger nach Hause. Als sie den Weg zum Vogelschutzgebiet einschlagen will, lotst er sie stattdessen ins Kurviertel Döse unweit der Kugelbake.
    »Hast du wieder was mit Elfie angefangen?«, spöttelt sie.
    »Nein«, antwortet Birger, »ich hänge an meinem Leben.«
    Vor einem der Apartmentklötze direkt hinter dem Nordseedeich lässt er sie anhalten. »Hier wohne ich im Winter«, sagt er.
    Die Windschutzscheibe des Alfas ist beschlagen. Janne wischt mit ihrem Schal darüber und sieht sich das Gebäude an. Zehn Stockwerke, verglaste Balkone, beigefarbener Putz. »Ich glaube, in diesem Kasten vermieten wir einige Ferienwohnungen.«
    »Dieser Kasten gehört euch, Janne. Genau wie die beiden nebenan und weitere in Duhnen und Sahlenburg.« »Oh.«
    Birger macht keinerlei Anstalten auszusteigen. Das Sushi rumort in Jannes Magen.
    »Mir ist schlecht«, sagt sie.
    »Kein Wunder. Wie kann ein einzelner Mensch nur so viel rohen Fisch essen?«
    Sie hat keine Lust, es ihm zu erklären, und fragt sich, warum er nicht aussteigt.
    Endlich rückt er mit seinem Anliegen heraus. »Könntest du mir einen Gefallen tun und im Dienst der Flecker-Werft nie wieder in Broschüren blättern, deren Inhalt dir im Schlaf bekannt sein müsste, oder mit geschlossenen Augen herumstehen? Und würdest du bitte künftig ausschließlich Optimismus und Frohsinn verbreiten, wenn Kerle wie Laurens Jörgensen in der Nähe sind?«
    »Der Rettungsbootfritze?«
    »Genau der. Denk dran, du bist unter Hyänen.«
    »Ich kann es versuchen. Du findest also, dass ich mich heute Abend nicht so toll geschlagen habe?« Eine rhetorische Frage. Sie kennt die Anwort.
    »Die Klamotten waren in Ordnung.«
    Janne lächelt. Marlene-Dietrich-Stil funktioniert immer. »Kann es sein, dass die Hyänen sich heute Abend ziemlich abfällig über meinen Vater geäußert haben?« Sie lässt ein Fenster hinunter, damit frische Luft in den Wagen dringen kann.
    »Möglich. Das liegt wohl daran, dass sein Schlaganfall ihnen einen Schreck eingejagt hat. Sie wissen, dass es auch sie hätte treffen können, und die Vorstellung ist ihnen nicht geheuer. Deshalb wenden sie sich von ihm ab, um das Unheil nicht heraufzubeschwören.«
    »Okay, aber das meinte ich nicht. Ich dachte an diese Gönnerhaftigkeit,als es um das Thema Tradition ging und um deine Verdienste für die Werft. Über dich reden sie auch nicht gerade nett.«
    »Für sie ist Paul eben keiner von ihnen, sondern immer noch das Flüchtlingskind aus Schlesien. Ein Badegast unter den Seebären. Das wird sich nie ändern. Die meisten hätten es damals lieber gesehen, wenn Laurens Jörgensen senior die Werft vom alten Krüss gekauft hätte, aber der hatte nicht genug Kohle. Also hat er versucht, mich als Teilhaber zu gewinnen. Zuerst habe ich zugesagt, dann habe ich es mir anders überlegt.«
    »Warum?«
    »Schien mir besser so.«
    Janne betrachtet Birger, der reglos neben ihr sitzt. Im Halbdunkel des Wagens hat sein Profil etwas Indianisches. Ein Nimbus, der ihm gut steht und gewiss willkommen ist. Wer will nicht gern Indianer sein?
    »Ich finde es unerhört, dass sie meinen Vater wegen seiner schlesischen Herkunft ausgrenzen. Der Krieg ist seit mehr als sechzig Jahren vorbei, er ist hier zur Schule gegangen, hat Arbeitsplätze geschaffen und sich sozial engagiert. Reicht das nicht, um dazuzugehören?«
    »Nein. Das ist eine Frage von Generationen.«
    »So ein Mist.«
    Birger öffnet das

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