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Blausäure

Blausäure

Titel: Blausäure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Little Priors abreisten. Er wollte mit mir nach London fahren und am nächsten Tag heiraten, ohne dass wir es jemandem sagten. Ich wünschte, ich hätte es getan.»
    «Das war aber eine recht merkwürdige Bitte», sagte Colonel Race freundlich.
    Sie warf ihm einen trotzigen Blick zu.
    «Überhaupt nicht. Es hätte uns eine Menge Ärger erspart. Warum habe ich ihm nicht vertraut? Er bat mich, ihm zu vertrauen, und ich tat es nicht. Aber jetzt heirate ich ihn, wann immer er will.»
    Lucilla brach in einen Schwall von zusammenhanglosem Protest aus. Ihre Hängebäckchen zitterten, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    Colonel Race übernahm rasch die Führung.
    «Miss Marie, könnte ich kurz mit Ihnen sprechen, bevor ich gehe? In einer strikt dienstlichen Frage?»
    Etwas erschrocken murmelte Iris «Ja» und befand sich schon auf dem Weg zur Tür. Während sie hinausging, eilte Race mit schnellen Schritten zu Mrs Drake zurück.
    «Regen Sie sich nicht auf, Mrs Drake. Je weniger Worte, desto schneller die Versöhnung, wie Sie wissen. Wir werden sehen, was wir tun können.»
    Lucilla blieb etwas getröstet zurück, und Race folgte Iris durch die Halle in einen kleinen Raum, der nach hinten hinausging. Vor dem Fenster verlor eine melancholische Platane soeben ihre letzten Blätter.
    Race sprach in geschäftlich-neutralem Ton.
    «Alles, was ich sagen wollte, Miss Marie, ist, dass Chief Inspector Kemp ein persönlicher Freund von mir ist. Ich bin sicher, Sie werden ihn als äußerst hilfreich und verständnisvoll empfinden. Seine Pflicht ist nun einmal unerfreulich, aber ich bin sicher, er wird sie mit der größten Rücksichtnahme erledigen.»
    Sie sah ihn einige Augenblicke lang an, dann fragte sie abrupt:
    «Warum sind Sie gestern nicht zu unserer Feier gekommen, wie George erwartet hatte?»
    Er schüttelte den Kopf.
    «George hat mich nicht erwartet.»
    «Aber er sagte es.»
    «Vielleicht hat er es gesagt, aber es stimmte nicht. George wusste genau, dass ich nicht vorhatte zu kommen.»
    «Aber der leere Stuhl…», sagte sie. «Für wen war der?»
    «Nicht für mich.»
    Sie schloss ihre Augen halb und wurde totenblass.
    «Er war für Rosemary…», flüsterte sie. «Ich verstehe es. Er war für Rosemary…»
    Er dachte, sie würde ohnmächtig werden. Schnell trat er an ihre Seite und bot ihr einen Halt, dann zwang er sie in einen Sessel.
    «Ganz ruhig…»
    Mit leiser und atemloser Stimme sagte sie:
    «Es geht schon wieder… Aber ich weiß nicht, was ich machen soll… Ich weiß nicht, was ich machen soll.»
    «Kann ich Ihnen helfen?»
    Sie sah zu ihm auf, mit nachdenklichem und schwermütigem Blick.
    «Ich muss mir Klarheit verschaffen», sagte sie und machte eine tastende Bewegung mit ihren Händen. «Klarheit und Ordnung. Ich muss die Dinge auf die Reihe kriegen. Erstens: George glaubte, dass Rosemary sich nicht selbst umbrachte – sondern umgebracht wurde. Zu diesem Glauben kam er wegen der Briefe. Colonel Race, wer schrieb diese Briefe?»
    «Ich weiß es nicht. Niemand weiß es. Haben Sie einen Verdacht?»
    «Ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Jedenfalls glaubte George, was darinnen stand, und lud zu dieser Feier gestern Abend ein, und er hatte für einen leeren Stuhl gesorgt, und es war Allerseelen… der Tag der Toten – ein Tag, an dem Rosemarys Geist hätte zurückkommen können – und ihm die Wahrheit sagen.»
    «Sie dürfen nicht zu viel Phantasie haben.»
    «Aber ich habe sie selbst gespürt – ich fühlte ihre Nähe… Ich bin ihre Schwester – und ich glaube, sie will mir etwas mitteilen.»
    «Ganz ruhig, Iris…»
    «Ich muss darüber reden. George trank auf Rosemarys Wohl – und starb. Vielleicht – kam sie und holte ihn.»
    «Die Geister der Verstorbenen schütten kein Zyankali in ein Champagnerglas, meine Liebe.»
    Seine Worte schienen ihr Gleichgewicht wiederherzustellen. In normalem Ton sagte sie:
    «Aber es ist so unglaublich. George wurde ermordet – ja, ermordet. Die Polizei geht davon aus, und es muss die Wahrheit sein. Denn es gibt keine andere Möglichkeit. Aber es ergibt keinen Sinn.»
    «Glauben Sie wirklich? Angenommen, Rosemary wurde ermordet und George fing an, den Schuldigen zu verdächtigen – »
    Sie unterbrach ihn.
    «Ja, aber Rosemary wurde nicht ermordet. Deshalb ergibt es keinen Sinn. George glaubte diesen dummen Briefen teilweise doch deshalb, weil Depression nach einer Grippe kein besonders überzeugender Grund für Selbstmord ist. Aber Rosemary hatte einen

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