Bleeding Violet - Niemals war Wahnsinn so verfuehrerisch
dich nur dort beißen, wo es niemand sehen kann.«
»Unter einer Straßenlaterne?« Er sah halb nervös, halb aufgeregt auf die Straße.
»Unter deinen Klamotten, Idiot.«
»Die Leute gucken schon.«
Wyatts missbilligender Ton passte so gar nicht zu der Erektion, die er hatte, weshalb ich vermutete, dass er in Wirklichkeit »den Leuten« doch ganz gerne etwas zum Gucken geben wollte. Dem wäre ich auch nachgekommen, aber das goldene, herzförmige Medaillon, das warm auf seiner Haut schimmerte, lenkte mich ab.
»Wie süß!«, sagte ich und nahm es vorsichtig. »So eines hatte ich als kleines Mädchen auch.«
»Es gehörte einem Mädchen«, sagte er so widerstrebend, dass ich vorsichtig wurde.
»Ist es von Petra?«
Er schüttelte den Kopf. Sein Blick verdunkelte sich, seine Erektion verschwand. Er riss sich von mir los. »Es gehörte meiner Oma. Ich will nicht darüber reden.«
Ich war mir sicher, dass er mich anlog, sicher, dass mir Petras spitzes Gesicht entgegengrinsen würde, wenn ich das Medaillon öffnete. Aber bevor ich ihn mir vornehmen konnte, klingelte sein Telefon, und es war nicht zu übersehen, dass er froh über die Galgenfrist war.
»Du hast ihr Haus gefunden?«, sagte er ins Telefon. »Ich weiß, wo das ist. Na ja, ich bin gerade bei einem Date, und du sagtest, ich könnte …« Er seufzte. »Gut. Ich bin unterwegs.«
»Was ist?«, fragte ich, während er das Handy in die Hosentasche steckte.
»Mortmaine-Zeugs.« Er verließ den Lichtkreis unter der Laterne und tauchte in die Dunkelheit ein, zog mich hinter sich her, und schneller als erwartet standen wir vor meinem Haus, wo Wyatt sein Auto am Straßenrand geparkt hatte.
Jedes Haus an der Lamartine war hell erleuchtet außer meinem. Es war dunkel. Abweisend. Kalt. Ich hatte es nicht eilig hineinzugehen.
»Wo musst du denn so schnell hin?«, fragte ich und versuchte, die letzten Momente mit jemandem, der mich wirklich gerne mochte, in die Länge zu ziehen. »Eine Jagd?«
»Was weißt du über Jagden?«, fragte er mich überrascht.
»Lecy hat was von gefährlichen Jagden im Park erzählt.«
»Im Dunklen Park«, verbesserte er mich.
Ich hatte eine Idee. Eine wunderbare Idee. »Wäre eine Jagd im Dunklen Park was echt Hartes?«
»Oh ja.«
»Und jemand, der auf die Jagd geht, wäre dann wohl auch total hart – und absolut in der Lage, auf sich selbst aufzupassen?«
Er sah mich lange an. »Ja, Hanna. Aber du brauchst die Erlaubnis. Und die Mortmaine geben sie niemandem, der einfach nur angeben will.«
»Na, dann verraten wir es ihnen einfach nicht«, neckte ich ihn. »Wir haben ihnen ja auch nicht verraten, dass du unerlaubte Waffen angewandt hast, um den Lockvogel zu besiegen. Überhaupt erwähnen wir den Lockvogel am besten gar nicht, weil man dir ja ausdrücklich verboten hatte, dich da einzumischen, richtig?«
»Du erpresst mich?«
»Ja.«
Wyatt schloss seinen Wagen auf und stieg ein. Ich sah, wie er mit sich kämpfte. »Ich werde nie was anderes als ein Initiierter sein, wenn ich nicht aufhöre, die Regeln zu brechen.«
»Du kannst dich an so viele Regeln halten, wie du willst«, flötete ich. » Nachdem du mit mir jagen warst.«
»Ich gehe jetzt noch nicht mal in den Dunklen Park. Das ist nur eine Kleinigkeit, von der mein Ältester will, dass ich mich darum kümmere.«
»Aber du wirst doch bald in den Dunklen Park zur Jagd gehen, ja? Hör zu, Wyatt. Ich hab es so satt, immer nur zu hören: Frem hier, Frem da … Ich will mir einen Namen in dieser Stadt machen, und du hast es selbst gesagt – wenn ich Respekt will, muss ich ihn mir verdienen.«
»Ja, drück’s mir noch rein«, sagte er mürrisch.
»Wenn du mir nicht hilfst, geh ich alleine in den Dunklen Park und such mir eben selbst was zum Jagen.«
Er sah mir lange genug in die Augen, um zu erkennen, dass ich es todernst meinte.
»Pass auf«, sagte er. »Komm jetzt gleich mit zu Melissa. Alles, was du zu tun hast, ist sitzen zu bleiben und nicht abzuhauen. Und wenn du dann immer noch mit zur Jagd kommen willst, kümmere ich mich darum.«
Ich schnallte mich schon auf dem Beifahrersitz an, bevor er seinen Satz beendet hatte. »Also los«, sagte ich und zappelte wie ein kleines Kind auf dem Weg zum Jahrmarkt auf dem Sitz herum. »Von mir aus kann die Show jetzt losgehen.«
13
Die schiefen Reihen enger Häuschen, die am Wagenfenster vorbeizogen, kamen mir fremd vor. »Wo sind wir?«, fragte ich.
»In der Unterstadt.« Wyatt bremste, weil sich eine lärmende Gruppe
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