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Bleeding Violet - Niemals war Wahnsinn so verfuehrerisch

Titel: Bleeding Violet - Niemals war Wahnsinn so verfuehrerisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dia Reeves
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verarscht, du Volldepp«, sagte Petra und legte einen Arm um mich. Petras Umarmung hätte mich normalerweise zu Tode erschreckt, aber für heute war ich wohl schon genug geschockt worden. »Sie zittert«, ließ sie die anderen wissen. Dann sagte sie zu mir: »Vielleicht gehen wir eines Tages mal zum Evangeline Park. Da geh ich immer hin, wenn ich Angst habe.«
    »Wenn du Angst hast?«, sagte Carmin. »Zahlst du da schon Miete?«
    »Ha, ha, Arschloch.« Petra streckte ihm die Zunge raus.
    »Hanna muss nirgendwo hingehen«, sagte Wyatt. »Sie ist echt hart.«
    »Bist du wirklich«, versicherte mir Petra, als hätte ich es verneint. »Ich war mir sicher, du würdest zurück nach Finnland rennen, nachdem du die Leiche gesehen hast.«
    »In Finnland gibt es auch Leichen«, sagte ich. Meine Stimme klang, als gehörte sie nicht zu mir. »Mein Poppa ist da begraben. Er starb in unserem Sommerhaus in Turku. Er hatte Knochenkrebs. Ich brachte ihm eines Morgens sein Frühstück, und er lag einfach nur da. Und es war gar nicht so, wie die Ärzte immer sagen. Er hatte keinen Frieden gefunden. Er sah nicht friedlich aus. Eher komisch und geschrumpft und leer . Wie eine abgeworfene Schlangenhaut.«
    »Genau«, sagte Wyatt und klang besorgt. »Ein toter Körper ist nur Fleisch. Kein Grund, sich über Fleisch aufzuregen.«
    »Fleisch?« Ich scannte den Platz und versuchte, dessen Breite abzuschätzen. »Herrgott, wo bin ich nur gelandet?«
    »Das hat dich jetzt endgültig umgehauen?«, sagte Wyatt. Ich dachte, er wäre von so einer fremdischen Reaktion angewidert, aber er schien eher amüsiert.
    Amüsiert!
    »Vielleicht ein bisschen, Wyatt. Vielleicht ist die Vorstellung, in einer Stadt voller Magie und Monster zu leben, es wert, sich wenigstens ein kleines bisschen umhauen zu lassen!«
    »Es gibt gar keine Magie«, sagte Carmin, als wäre es das Lächerlichste, was er je gehört hatte.
    »Diese Tür schwebte mitten im Nichts …«
    »Nichts, das du sehen konntest.«
    »… und ein Mann war in ihr, aber das war keine Magie?«
    »Nein«, beharrte Carmin.
    »Und was war es dann? Physik für Fortgeschrittene?«
    Ich sah, wie die vier hilflose Blicke austauschten, die Sorte Blicke, die Kinder bekommen, denen man erklären soll, warum sie den Wind nicht sehen können.
    »Wir sind Porteraner, Hanna«, sagte Wyatt. »Türwächter. Der Tod ist nur eine weitere Tür.«

15

    Am frühen Mittwochabend war ich wieder in Rosalees Zimmer, aber diesmal nicht, weil ich neugierig war. Okay, ich wühlte mich durch ihre winzigen hölzernen Schubladen, aber ich suchte etwas Bestimmtes. Ich konnte schließlich nichts dafür, dass mich ihre Sachen dauernd ablenkten: ihre Flasche Chanel No. 22 – ich wusste nicht mal, dass es noch andere Nummern gab! –, ihre Flasche lavendelfarbener Nagellack, der denselben Ton hatte wie mein hauchdünnes, ärmelloses Kleid, das ich an der Taille so eng geschnürt hatte, dass ich aus der Brust atmen musste, wenn ich tief Luft holen wollte. Schrecklich zu tragen, aber Wyatt würde es gefallen – und das war doch das Einzige, was zählte.
    Während ich Rosalees silberne Tropfenohrringe anprobierte, erspähte ich die rote Box auf ihrem Nachttisch. Auch nicht das, wonach ich suchte, aber vielleicht war das, was ich suchte, in der Box. Das redete ich mir jedenfalls ein, als ich sie hochhob. Ich bewunderte das fast unsichtbare goldene Muster, das puzzleartige Design. Gerade, als ich herausgefunden hatte, wie man die Box öffnete …
    »Hanna!« Rosalee stand in schwarzen Yogahosen und Marienkäferschlappen in der Tür und hielt ein Glas Wasser in der Hand.
    Ich ließ die Box fast fallen, erschrocken darüber, dass sie überhaupt mit mir sprach, auch wenn sie schrie. Es war eine Ewigkeit her, dass ich ihre Stimme gehört hatte.
    »Stell das hin.« Sie riss mir die Box aus den Händen, bevor ich ihr gehorchen konnte. »Wenn du dich jemals wieder dieser Box nähern solltest, bist du tot.«
    »Buchstäblich?«, fragte ich und starrte auf meine Hände. Portero war so seltsam, da durfte ich nichts als gegeben hinnehmen.
    »Klugscheißerin.« Rosalee schloss die Box in ihrer Nachttischschublade sein. »Was machst du hier drin?«
    »Ich habe mich entschieden, mit Wyatt zu schlafen«, sagte ich ihr. »Ich suche Kondome.«
    Rosalee trank das ganze Glas Wasser in zwei Schlucken und sagte eine ganze Zeit lang nichts. Gerade, als ich schon dachte, sie wäre wieder in ihren Schweigemodus verfallen, sagte sie: »Das ist gar keine schlechte

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