Bleib nicht zum Frühstück
großzügige Spenden bei der Erweiterung des Anti-Drogen-Programms für Teenager; aber als sie weitere Einzelheiten wissen wollte, winkte er ungeduldig ab.
Der Abend zog sich endlos hin. Als Jim sie nach ihrer Arbeit fragte, gab sie ihm eine Erklärung, die ihm deutlich machte, was für ein Ignorant er war. Als Lynn sie einlud, sich an ihrem Lesezirkel zu beteiligen, sagte sie, für derartige Geselligkeiten hätte sie wahrlich keine Zeit. Und Ethan, der hoffte, daß sie Sonntag in die Kirche käme, erklärte sie, Atheistin zu sein.
Tut mir leid, lieber Gott, aber ich gebe mir die größte Mühe, Cal zu Gefallen zu sein. Dies sind so nette Menschen, und sie haben eigentlich genug durchgemacht…
Schließlich war es Zeit zu gehen. Der Abschied verlief in steifer Höflichkeit – sie merkte, daß Jim die Stirn runzelte und Lynn ihren Sohn mit einem besorgten Blick umarmte.
Cal sah sie erst an, als der Wagen auf die Straße rollte.
»Danke, Jane.«
Sie starrte reglos geradeaus. »Noch mal schaffe ich das nicht. Sorg dafür, daß ich sie nicht noch einmal treffen muß.«
»Kein Problem.«
»Ich meine es ernst.«
»Natürlich war es nicht einfach für dich«, sagte er sanft.
»Es sind wunderbare Menschen, und ich kam mir grauenhaft vor.«
Eine Weile sah er schweigend geradeaus. »Was hältst du übrigens davon, wenn wir beide bald mal miteinander ausgehen?«
Sollte dies etwa die Belohnung für ihr entsetzliches Benehmen heute sein? Die Tatsache, daß er sie gerade jetzt einlud, reizte sie: »Muß ich dann eine Papiertüte über den Kopf ziehen für den Fall, daß mich vielleicht jemand sieht?«
»Warum mußt du gleich wieder so sarkastisch sein? Ich habe dich gebeten, mit mir auszugehen, und darauf genügt ein ja oder nein.«
»Wann?«
»Ich weiß es nicht. Wie sähe es mit nächstem Mittwoch aus?«
»Wohin gehen wir?«
»Mach dir darüber keine Gedanken. Zieh einfach die engsten Jeans an, die du dabei hast, und vielleicht ein hautenges, rückenfreies Oberteil.«
»Meine Jeans kriege ich kaum noch zu, und ein hautenges, rückenfreies Oberteil besitze ich nicht. Und selbst wenn ich eins hätte, wäre es dafür viel zu kalt.«
»Ich schätze, daß ich dir durchaus einheizen kann, und wenn du die Jeans nicht mehr zukriegst, läßt du sie eben auf.« Angesichts dieser dunklen Andeutung rann ihr ein wohliger Schauder über den Rücken. Er schaute sie an, und sie hatte das Gefühl, als liebkoste sie sein Blick. Welche Absicht er mit dieser Einladung verband, hätte er nicht deutlicher sagen können. Er begehrte sie und hatte die Absicht, sie auch zu bekommen.
Aber war sie bereit für ihn? Bei ihrer Ernsthaftigkeit nahm sie eine solche Sache nicht auf die leichte Schulter.
Käme sie mit dem Schmerz zurecht, dem sie in Zukunft ausgeliefert wäre nach diesem, für ihn belanglosen Techtelmechtel?
Ihr Kopf tat weh, und sie blickte, ohne ihm zu antworten, aus dem Fenster. Sie versuchte, sich von dem Prickeln zwischen ihnen abzulenken, indem sie an seine Eltern dachte; während der Jeep durch die stillen Straßen von Salvation fuhr, sortierte sie das, was sie heute alles mitbekommen hatte.
Lynn war offenbar nicht immer die reservierte, elegante Frau gewesen, die sie heute so fürstlich bewirtet hatte.
Aber was sollte sie von Jim halten? Jane mochte ihn eigentlich nicht, aber immer wieder hatte sie, wenn sein Blick auf seine Frau gefallen war, diese Kümmernis bei ihm festgestellt; und es fiel ihr schwer, einen Mann nicht zu mögen, der zu derartigen Gefühlen in der Lage war.
Hatte es diese beiden Teenager wirklich gegeben, von deren Liebe heute abend gesprochen wurde?
Jim wanderte in die Küche und schenkte sich eine letzte Tasse Schonkaffee ein. Lynn stand an der Spüle und hatte ihm den Rücken zugewandt. Sie wandte ihm fast immer den Rücken zu, dachte er, obwohl es im Grunde egal war; denn selbst wenn sie ihn ansah, behielt sie stets die höfliche Maske bei, die sie ausschließlich vor ihren Söhnen fallen ließ.
Während ihrer Schwangerschaft mit Gabe hatte Lynn die Wandlung zur perfekten Arztfrau durchgemacht. Er erinnerte sich noch daran, wie willkommen ihm ihre zunehmende Reserviertheit und die Tatsache, daß sie ihn nicht mehr in der Öffentlichkeit mit ihrer falschen Grammatik und ihrem Überschwang blamierte, zunächst gewesen war.
Im Laufe der Jahre gelangte er zu der Überzeugung, daß ihre Ehe einzig infolge von Lynns Verwandlung nicht zu der von allen vorhergesehenen Katastrophe wurde. Ja, er
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