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Bleib ungezaehmt mein Herz

Titel: Bleib ungezaehmt mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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Zahnpulver und Kleidung zum Wechseln. Es würde für eine Weile genügen, und alles übrige, was sie brauchte, könnte sie später kaufen.
    Sie wußte nur, daß sie nicht länger unter demselben Dach mit Marcus bleiben konnte. Daß sie ihn so überstürzt verlassen mußte, würde ihre Pläne mit Gracemere gründlich verderben, aber sie sah keine andere Möglichkeit. Sebastian würde es verstehen, und sie würden sich einen anderen Plan ausdenken.
    Und dennoch - niemals hatte sie sich so verzweifelt, so völlig verloren gefühlt. Sie konnte nicht bei Marcus bleiben, aber warum war dann der Gedanke, ihn zu verlassen, so qualvoll, als würde ihr eine Schicht Haut abgezogen?
    Vorsichtig drehte Judith den Schlüssel im Türschloß und verließ ihr Zimmer. Im Korridor, wo eine einzelne Kerze in einem Wandhalter ein mattes Licht verbreitete, blieb sie lauschend stehen. Aber bis auf die knackenden, raschelnden Geräusche des schlafenden Hauses war alles still. Sie schlich die Treppe hinunter, immer noch gekrümmt wegen der ziehenden Schmerzen in ihrem Bauch, und bog in den schmalen Flur ein, der zum Arbeitszimmer führte. Dies war kein Abgang, den man durch die Haustür machte.
    Sie öffnete die Fenstertüren und trat in den Garten hinaus, zog dann die Tür leise wieder hinter sich zu. Das Tor in der Mauer führte zum Stallhof. Pferde schnaubten, Hufe scharrten über Stroh, als Judith sich in der Dunkelheit über den gepflasterten Hof bewegte. Die Stallknechte würden nicht vor einer Stunde mit der Arbeit anfangen, und Judith hatte in diesem Augenblick das Gefühl, das einzige menschliche Wesen in ganz London zu sein, das wach war. Ihr kam der Gedanke, daß es vielleicht riskant war, in dieser dunklen Stunde vor Einbruch der Morgendämmerung durch die Straßen zu gehen, und ihre Hand schloß sich um ihre Pistole.
    Bis zur Albemarle Street waren es jedoch weniger als zehn Minuten zu Fuß, und Judith begegnete unterwegs niemandem. Sebastians Räume lagen im Erdgeschoß, und Judith stellte sich auf die Zehenspitzen, um ans Fenster zu klopfen. Wenn sie den Türklopfer benutzen müßte, würde der Hauswirt öffnen, und es wäre etwas schwierig, ihr Erscheinen um diese späte Stunde zu erklären. Sie hob erneut die Hand, um an die Scheibe zu klopfen, als die Haustür aufging.
    »Komm herein, Ju«, flüsterte Sebastian.
    »Woher hast du gewußt, daß ich es bin?« Sie schlüpfte an ihm vorbei in den dunklen Flur.
    »Irgendwie habe ich dich erwartet«, erwiderte er, nahm ihr den Koffer ab und führte sie ins Wohnzimmer.
    »Dann habe ich dich also nicht geweckt.«
    »Nein, ich habe auf dich gewartet.« Er setzte ihren Koffer ab und betrachtete sie forschend. »Du siehst wie ein Geist aus. Brandy?«
    »Bitte.« Judith nahm ihren Umhang ab und zog die Handschuhe aus. »Danke.« Sie umschloß das Glas mit beiden Händen und trat an den Kamin, wo die spärlich glimmenden Reste des Feuers noch ein wenig Wärme verbreiteten.
    Sebastian nahm ein paar Holzscheite aus dem Korb neben dem Kamin und warf sie auf die glimmenden Späne. Ein tröstliches Zischen und Aufflackern von Flammen war die Folge. Sebastian richtete sich auf und musterte seine Schwester mit besorgtem Blick. Sie nippte an ihrem Brandy, und er bemerkte, wie sie sich in einer unbewußten Geste über den Bauch strich, als das feurige Getränk ihre verkrampften Muskeln wärmte. »Du fühlst dich nicht besonders gut«, stellte er fest.
    Sie lächelte ihn traurig an und nickte. »Das macht das Ganze noch schlimmer.«
    »Und? Was hat er getan?«
    »Woher weißt du...? Hast du es ihm etwa gesagt?«
    »Er wollte mir das Geld für deine Kutsche und die Pferde zurückzahlen. Ich habe ihm erklärt, du hättest sie selbst bezahlt. Er hat die richtigen Schlüsse daraus gezogen. Carrington ist kein Dummkopf, Ju.«
    »Für einen Dummkopf habe ich ihn auch nie gehalten.« Mit freudloser Stimme berichtete sie ihm von der Szene im Arbeitszimmer. Sie ließ nichts aus. Sebastian hörte grimmig schweigend zu. Ihm kam der Gedanke, daß sein Schwager ungefähr soviel Feinfühligkeit bewiesen hatte wie eine Herde wütender Elefanten.
    »Und wo willst du jetzt hin?« fragte er, als Judith zu Ende gesprochen hatte.
    »In irgendein kleines Hotel vielleicht.«
    »In London?«
    »Ja, aber in einem weniger vornehmen Bezirk; irgendwo, wo ich auf der Straße nicht riskieren muß, einem Bekannten zu begegnen.«
    »Kensington... Bloomsbury?«
    »Eins von beiden... hör mal, ich weiß, das hier macht alles

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