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Bleib ungezaehmt mein Herz

Titel: Bleib ungezaehmt mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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schnitt noch ein Stück für sie ab. »Doch, ich habe zugehört«, sagte sie.
    »Wenn du dich mit Carrington streitest, verlierst du dann die Beherrschung?« fragte Cornelia im Tonfall eines Menschen, der sich einige Zeit über diese Frage den Kopf zerbrochen hat.
    Die Frage ließ eine so verzehrende Sehnsucht in Judith aufsteigen, daß sie einen Moment schwieg, ganz versunken in Erinnerungen an die Male, als sie sich heftig gestritten und sich danach bei leidenschaftlichen Liebesspielen wieder versöhnt hatten. »Ja«, gab sie zu. »Ich kann sehr jähzornig werden und Marcus ebenfalls.«
    »Großer Gott«, sagte Cornelia. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß Forsythe jemals die Beherrschung verliert. Ich überlege, ob ich nicht mal versuchen sollte, ihn zu provozieren. Es könnte vielleicht ein bißchen mehr Aufregung in mein Leben bringen.«
    Judith mußte lachen. »Dafür bist du zu vernünftig und ausgeglichen, Cornelia. Du würdest eher anfangen, mit dir selbst zu streiten statt mit deinem Mann, weil du sofort den Standpunkt des anderen sehen würdest.«
    Nachdem ihr Besuch gegangen war, saß Judith wieder im düsteren Licht des Spätnachmittags am Fenster. Cornelia, Sally und Isobel verstanden nicht wirklich, worum es ging. Sie würden ihr natürlich beistehen. Sie würden sie besuchen und über ihren Aufenthaltsort Stillschweigen bewahren, aber sie würden niemals begreifen, was eine Frau zu einem so verzweifelten Schritt treiben konnte. Da sie nie den Geschmack von Freiheit gekostet hatten - die bisweilen unbequeme Freiheit eines Lebens am Rande der Gesell-schaft konnten sie sich auch nicht vorstellen, etwas so Drastisches zu tun. Judith nahm es ihnen nicht übel. Im Gegenteil, sie beneidete sie um die Unkompliziertheit und Sicherheit ihres Lebens.
    Es wurde allmählich dunkel, doch Judith klingelte nicht nach Dora, um die Kerzen anzünden zu lassen. Die schleichenden Schatten paßten zu ihrer Stimmung, und sie fühlte, wie sie tiefer und tiefer in Kummer und einem Gefühl der Erbärmlichkeit versank. Schmerz durchzuckte sie jedesmal, wenn sie daran dachte, was Marcus zu ihr gesagt hatte, wofür er sie hielt. Und obwohl er diese Dinge von ihr glaubte, hatte er sie mit einer solchen Leidenschaft geliebt, mit soviel Vertrauen, solcher Aufrichtigkeit, in einer so absoluten Verschmelzung mit ihrem Körper und ihrer Seele. Sie hatte sich ihm in diesen Momenten vollkommen und vorbehaltlos hingegeben, so wie er sich ihr hingegeben hatte. Und dennoch hatte er die ganze Zeit geglaubt...
    Ein Klopfen an der Tür unterbrach den traurigen Teufelskreis ihrer Gedanken. Sebastian kam herein, und Judith blinzelte überrascht in der Dunkelheit.
    »Warum sitzt du im Dunkeln?« Er ließ ein Streichholz aufflammen und zündete die Kerzen an dem mehrarmigen Leuchter auf dem Tisch an. Er musterte seine Schwester mit einem verständnisvollen Blick, einem, der seinen Verdacht bestätigte und ihm die Beruhigung verschaffte, daß er an diesem Morgen das Richtige getan hatte.
    »Ich dachte, du hättest gern etwas Gesellschaft beim Dinner«, sagte er, als bemerkte er ihre Blässe oder die Tränenspuren auf ihren Wangen nicht. »Mrs. Cunningham hat mir berichtet, sie hätte Karpfen in Weinsoße und Hühnerragout mit Champignons. Klingt doch recht appetitanregend.«
    Judith drängte ihre Tränen zurück. »Danke, Sebastian«, sagte sie beherrscht. »Ich habe mich schon vor einem einsamen Dinner gefürchtet.«
    »So etwas Ähnliches dachte ich mir.« Er beugte sich hinab, um sie zu küssen. »Deprimiert?« »Das ist noch untertrieben«, erwiderte sie. »Was fangen wir bloß mit Gracemere an?«
    »Ist im Moment nicht so wichtig.« Er zog den Tisch mit dem Schachbrett vor den Kamin. »Wir werden uns etwas ausdenken, wenn du dich wieder gefaßt hast.«
    »Aber...«
    »Welche Hand?« unterbrach Sebastian sie und streckte seine geschlossenen Fäuste vor.
    »Ich will nur...«
    »Welche Hand? » drängte er.
    Judith zeigte auf seine Linke. Er öffnete sie und enthüllte den schwarzen Bauern.
    »Oh, gut, ich bin im Vorteil«, meinte er heiter und nahm auf der Seite mit den weißen Figuren Platz. »Setz dich, Ju, und hör auf, ein Gesicht wie zehn Tage Regenwetter zu machen.«
    Sie setzte sich und sah, wie er seinen Bauern um ein Feld vorwärts schob. Sie zog mit ihrem Bauern nach. »Hast du Marcus gesehen?« Sie versuchte, das Zittern aus ihrer Stimme herauszuhalten.
    »Er hat mich heute morgen besucht.« Er rückte mit seinem nächsten Bauern

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