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Blicke windwärts

Blicke windwärts

Titel: Blicke windwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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steckt.«
    »Meinst du, er würde mich verdächtigen, ihn vergiften zu wollen?«
    »Er könnte auf den Gedanken kommen.«
    »Verstehe. Ich habe noch einen langen Weg vor mir, wie?«
    »Ja, hast du.«
    »Und wie viel weiter müssen wir hier noch gehen, auf unserem Spaziergang?«
    »Noch drei oder vier Kilometer.« Kabo blickte zur Sonne hinauf. »Wir müssten eigentlich genau richtig zum Mittagessen dort sein.«
    Kabo und Quilan wanderten entlang der Klippenkämme der Halbinsel Vilster auf der Fzan-Platte. Rechts von ihnen, dreißig Meter tiefer, schlug die Fzan-See gegen die Felsen. Am dunstigen Horizont schwammen vereinzelte Inseln. Näher bei ihnen schnitten ein paar Segelboote und größere Schiffe durch die sich ausbreitenden Muster der Wellen.
    Eine kühle Brise wehte vom Meer her. Sie peitschte Kabo den Mantel um die Beine, und Quilans Gewänder flatterten und wallten um ihn herum; er ging auf dem schmalen Pfad durchs hohe Gras voraus. Zu ihrer Linken fiel das Gelände steil hinunter in tiefes Grasland, das bis zu einem Wald aus hohen Wolkenbäumen reichte. Vor ihnen stieg das Land zu einer leicht erhabenen Landspitze und einem gemäßigten Felskamm an, der sich ins Landesinnere erstreckte, eingekerbt von einem Spalt, in dem eine Abzweigung des Pfades verlief, auf dem sie sich befanden. Sie nahmen die beschwerlichere und freiere Strecke über die Klippen.
    Quilan wandte den Kopf und blickte hinunter zu den Wogen, die am Fuße der Klippen gegen den zerklüfteten Fels klatschten. Es roch nach salziger Luft.
    ~Erinnerst du dich wieder, Quilan?~
    ~Ja.~
    ~Du bist sehr nah an der Kante. Pass auf, dass du nicht runterfällst.~
    ~Ich pass schon auf.~
     
    Schnee fiel in den Innenhof des Klosters Cadracet; sanft rieselte er vom stillen grauen Himmel herab. Quilan bildete das Schlusslicht des Brennholzsuchkommandos; er zog es vor, für sich allein und schweigend zu wandern, während die anderen vor ihm im Gänsemarsch dahintrotteten. Die anderen Mönche waren bereits allesamt im warmen Innern und hatten sich um den Ofen im großen Saal versammelt, als er die Hintertür hinter sich schloss, durch die lockere Schneedecke auf den Steinen des Innenhofs schlurfte und seinen Korb mit Holz zu den übrigen unter der Galerie plumpsen ließ.
    Er entlud seine Fracht und sog den frischen, sauberen Geruch in sich ein – er erinnerte ihn an eine Zeit, als sie in den loustrianischen Bergen eine Jagdhütte gemietet hatten, nur sie beide. Die Axt, die zu der Hütte gehörte, war stumpf gewesen; er hatte sie an einem Stein geschärft, in der Hoffnung, sie mit seiner Geschicklichkeit zu beeindrucken, doch als er soweit gewesen war, sie auf den ersten Holzklotz niedersausen zu lassen, war die Klinge davongesegelt und irgendwo im Wald verschwunden. Er konnte sich noch genau an ihr Lachen erinnern und dann – als er beleidigt dreingeschaut hatte – an ihren Kuss.
    Sie hatten auf einer bemoosten Plattform unter Fellen geschlafen. Er erinnerte sich an einen frostigen Morgen, als das Feuer über Nacht erloschen war und es in der Hütte eiskalt war, sie hatten sich gepaart, er rittlings auf ihr, seine Zähne hatten zärtlich an dem Pelz in ihrer Halskuhle geknabbert, er hatte sich langsam über ihr und in ihr bewegt und ihren Atemhauch beobachtet, der sich im Sonnenlicht bauschte und durch den Raum und zum Fenster hinauszog, wo er zu Schnörkeln gefror; ein aus dem Chaos entstandenes Muster.
    Er zitterte und blinzelte kalte Tränen weg.
    Als er sich abwandte, sah er die Gestalt, die in der Mitte des Hofes stand und ihn ansah.
    Es war ein weibliches Wesen, bekleidet mit einem Umhang, der halb geöffnet über eine Armeeuniform fiel. Der Schnee sank in lautlosen Spiralen zwischen ihnen herab. Er blinzelte. Einen Augenblick lang… Er schüttelte den Kopf, riss sich vollends von seinen Erinnerungen los, wischte die Hände aneinander ab und ging zu ihr.
    Während er diese paar Schritte tat, wurde ihm bewusst, dass er seit einem halben Jahr kein weibliches Fleisch auch nur gesehen hatte.
    Sie sah Worosei überhaupt nicht ähnlich; sie war größer, ihr Fell war dunkler, und ihre Augen wirkten schmaler und runzeliger. Er schätzte, dass sie mindestens zehn Jahre älter war als er. Die Sterne an ihrer Mütze wiesen ihren Rang als den einer Generalin aus.
    »Kann ich Ihnen helfen, meine Dame?«, fragte er.
    »Ja, Major Quilan«, antwortete sie mit akzentuierter Sprache und beherrschter Stimme. »Vielleicht können Sie das.«
     
    Fronipel brachte ihnen

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