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Blicke windwärts

Blicke windwärts

Titel: Blicke windwärts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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in Ihre Heimat zurückkehren werden, Ziller, aber sie sollten zumindest mit diesem Gesandten sprechen.«
    Ziller sah ihn an. »Sollte ich das?«
    »Wenn Sie es nicht tun, könnte es so aussehen, als ob sie Angst vor seinen Argumenten hätten.«
    »Ach ja? Was denn für Argumenten?«
    »Ich könnte mir vorstellen, dass er sagen wird, man braucht Sie dort«, antwortete Kabo geduldig.
    »Damit ich deren Trophäe bin anstatt die der Kultur.«
    »Ich glaube, Trophäe ist nicht das richtige Wort. Leitfigur wäre vielleicht besser. Leitfiguren sind wichtig, sie bewirken etwas. Eine solche Leitfigur kann die Geschicke anderer lenken. Sie kann in einem gewissen Rahmen den Kurs einer ganzen Gesellschaft bestimmen. Jedenfalls wird die Delegation bestimmt das Argument vorbringen, dass Ihre Gesellschaft, Ihre ganze Zivilisation mit ihrem berühmtesten Dissidenten Frieden schließen muss, damit sie Frieden mit sich selbst schließen und sich neu aufbauen kann.«
    Ziller sah ihn ausdruckslos an. »Man hat Sie mit Bedacht ausgewählt, nicht wahr, Botschafter?«
    »Nicht in der Weise, wie Sie das meiner Vermutung nach meinen. Ein solches Argument hat weder meine Zuneigung noch meine Abneigung. Aber es ist wahrscheinlich, dass sie es Ihnen vortragen möchten. Selbst wenn Sie wirklich noch nicht darüber nachgedacht und noch nicht versucht haben, deren Vorschläge vorauszuahnen, dann wird Ihnen dennoch klar sein, dass Sie, wenn Sie es getan hätten, selbst zu diesem Schluss gekommen wären.«
    Ziller starrte den Homomdaner an. Während Kabo dem Blick dieser großen dunklen Augen standhielt, stellte er im Stillen fest, dass die Sache nicht ganz so schwierig war, wie er angenommen hatte. Dennoch war es nicht etwas, das er sich als erholsame Freizeitbeschäftigung ausgesucht hätte.
    »Bin ich wirklich ein Dissident?«, fragte Ziller schließlich. »Ich habe mich gerade daran gewöhnt, mich für einen Kultur-Flüchtling zu halten oder jemanden, der politisches Asyl sucht. Das ist eine zutiefst beunruhigende Neuklassifizierung.«
    »Ihre früheren Äußerungen fallen schwer ins Gewicht, Ziller. Wie auch Ihre Taten; vor allem der Umstand, dass Sie überhaupt hierher gekommen und dann geblieben sind, nachdem der Hintergrund des Krieges klar geworden war.«
    »Der Hintergrund des Krieges, mein gelehrter homomdanischer Freund, sind drei Jahrtausende erbarmungsloser Unterdrückung, kulturellen Imperialismus, wirtschaftlicher Ausbeutung, systematischer Folterung, sexueller Tyrannei und des Kults materieller Gier, die den Leuten beinah als genetisches Erbe innewohnt.«
    »Aus Ihnen spricht Verbitterung, lieber Ziller. Kein außen stehender Beobachter würde eine so feindselige Zusammenfassung der jüngsten Geschichte Ihrer Spezies geben.«
    »Dreitausend Jahre zählen zur jüngsten Geschichte?«
    »Sie weichen vom Thema ab.«
    »Ja, ich finde es direkt komisch, dass Sie die letzten drei Jahrtausende als ›jüngste Geschichte‹ bezeichnen. Das ist sicher interessanter als die Diskussion über das genaue Maß an Schuld, das dem Verhalten meiner Landsleute angelastet werden kann, seit wir auf die faszinierende Idee des Kastensystems gekommen sind.«
    Kabo seufzte. »Wir sind eine langlebige Spezies, Ziller, und ich bin seit vielen Jahrhunderten Mitglied der galaktischen Gemeinschaft. Dreitausend Jahre sind alles andere als unbedeutend nach unserer Zeitrechnung, aber in der Lebensspanne einer intelligenten, raumfahrenden Spezies zählen sie tatsächlich zur jüngsten Geschichte.«
    »Sie fühlen sich unbehaglich bei solchen Dingen, nicht wahr, Kabo?«
    »Bei was für Dingen, Ziller?«
    Der Chelgrianer deutete mit dem Stiel seiner Pfeife über die Seite des Flugzeugs. »Sie empfanden etwas für dieses weibliche Menschenwesen, als es scheinbar im Begriff war, ungebremst zu Boden zu stürzen und sein nicht gespeichertes Gehirn über die Landschaft zu verspritzen, nicht wahr? Und Sie finden es störend – um es gelinde auszudrücken –, dass ich, wie Sie es nennen, verbittert bin und mein eigenes Volk hasse.«
    »All das stimmt.«
    »Sind Sie denn in Ihrer eigenen Existenz so sehr von Gleichmut durchdrungen, dass sie kein Ventil für irgendwelche Sorgen brauchen, außer im Mitgefühl für andere?«
    Kabo lehnte sich zurück und überlegte. »Ich nehme an, es erscheint so.«
    »Daher vielleicht Ihre Identifikation mit der Kultur.«
    »Vielleicht.«
    »Sie können also ihre gegenwärtige – oh, sollen wir sagen: Verlegenheit – in Bezug auf den

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