Blind Date mit der Lust
Schuhen an!„
„Schade, dass du unter deinem Kleid kein Paar verschwinden lassen kannst.„
„Ich kann mir eigene Schuhe leisten„, stellte sie nüchtern fest, sorgsam darauf bedacht, dass es nicht so klang, als wolle sie sich verteidigen. Jack war nicht nur mit einem silbernen Löffel, sondern mit einem Silbertablett im Mund geboren worden. All das Zeug, das er gerade behauptet hatte, um sie wieder für sich zu gewinnen, war Schwachsinn. Nein, Jack stammte aus einer wohlhabenden Familie. Und er gab sein Geld aus, als gäbe es kein Morgen.
Sie dagegen war mit einem Plastiklöffel im Mund zur Welt gekommen. Zum Wegwerfen. Tatsächlich. Denn Sallye spülte nicht gern. Sie waren nicht direkt arm gewesen, aber mit Sallyes Einkommen waren sie gerade eben so über die Runden gekommen. Extras waren nicht drin.
Mia hasste es, dass ihre Mutter zwei Jobs haben musste, damit sie zurechtkamen. Sie hatte es gehasst, zu sehen, wie Sallye an jedem Monatsende über die Rechnungen gebeugt dasaß und überlegte, welche sie zuerst begleichen sollte. Damals hatte Mia sich geschworen, dass sie, ihre Mutter und ihre Schwester nie mehr Geldsorgen haben sollten und nie mehr von Lohnscheck zu Lohnscheck leben mussten.
Inzwischen hatte Mia Geld. Von jedem Gehalt hatte sie die Hälfte auf einem Sparkonto angelegt, das sich bei einem ziemlich guten Zinssatz langsam, aber stetig vermehrte. Sie hortete ihr Geld und sparte und investierte es klug und vorausschauend. Sie drehte jeden Cent zwei Mal um, bevor sie ihn ausgab. Und da sie jetzt die Möglichkeit dazu hatte, sorgte sie dafür, dass für ihre Mutter die berühmten Extras drin waren, die es früher nicht gegeben hatte.
Das würde sich nun allerdings ändern. Denn Sallye hatte ihre älteste Tochter an den Mann verraten, der ihr im Handumdrehen das Herz zerreißen konnte. Die milden Gaben hatten erst mal ein Ende.
„Das mit den Schuhen war ein Scherz.„
„Von mir nicht„, erwiderte Mia kurz angebunden. „Such einfach nach dem Safe.„
Der Schrank roch nach Chanel und Zigarettenrauch. Er war mit demselben plüschigen cremefarbenen Teppich ausgelegt wie das Schlafzimmer und löste ein Gefühl von Klaustrophobie bei Mia aus, allein durch die Menge an eleganten Kleidungsstücken, die auf den gepolsterten Seidenkleiderbügeln hingen und an längst vergangene Zeiten erinnerten. Pelze streiften ihren Kopf, während sie auf dem Boden entlangkroch und die Wand absuchte, so wie Jack es auf der anderen Seite des begehbaren Kleiderschranks tat.
Dabei berührten ihre Beine sich mehrfach – und Mia war jedes Mal wie elektrisiert. Sie arbeitete schneller. Wo, zum Teufel, war dieser verdammte Safe? Er musste sich an einer relativ praktischen Stelle befinden, denn die Dame des Hauses wollte sicher einen bequemen Zugriff auf ihren Schmuck haben.
„Ich hab ihn„, sagte Jack in diesem Moment und stand auf, um die Hosenanzüge zur Seite zu schieben, die vor dem Safe hingen.
Mia erhob sich ebenfalls und hielt Abstand. Jack war ihr immer noch zu nah. Seit wann fühlten sich begehbare Kleiderschränke so mickrig an?
Sie begutachtete den Safe. „Dauert nicht lang.„ Bei längerem Hinsehen entpuppte sich der Safe als weniger gut gesichert als jeder x-beliebige Tresor in einem x-beliebigen Supermarkt. „Mein Gott, den hättest du auch alleine geschafft. Für das Ding brauchst du mich wirklich nicht.„
„Ansichtssache.„
„Würdest du mir bitte ein bisschen Platz machen?„ Sie schob ihn mit dem Ellbogen zur Seite. „Du atmest mir in den Nacken.„
Passend zu den Seidengewändern der Dame des Hauses war das Licht im Schrank gedämpft. Doch durch die geöffneten Schranktüren drang genug herein. Der Raum beinhaltete zwei Stangen mit Designerkleidung hintereinander, von der Decke bis zum Fußboden platziert, und eine mechanische Vorrichtung, wie man sie in Reinigungen findet, um Kleidungsstücke schneller zu erreichen. Mia war neidisch.
An einer Wand standen alle Schuhe, nach Farben geordnet. Nicht nur die mehreren Hundert Paare von Manolo Blahnik ließen Mias Herz schneller schlagen. Es war auch Jack Nähe – die sie jedoch geflissentlich zu ignorieren versuchte, während sie die dünnen Gummihandschuhe überzog und sich an die Arbeit machte.
Bei diesem Safe handelte es sich um ein Modell des Herstellers Conex. Auf der Safeknacker-Skala von eins bis zehn rangierte dieser Typ auf Platz drei. Mia konzentrierte sich auf das viel zu laute Klacken des Zahlenschlosses hinter der
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