Blind ist der, der nicht lieben will
nicht zu übersehen“, erklärte der mit Blick auf die Gänsehaut und verschwand in Richtung Tür. „Deswegen wirst du jetzt ein heißes Bad nehmen, damit du auftaust. Du hast fünf Minuten, mir zu folgen, sonst gibt’s Ärger.“
Mit den Worten war Tristan im Flur verschwunden und Nick starrte verdutzt auf die Stelle, wo sein Freund eben noch gestanden hatte. Was war das denn jetzt? Ein Bad? Okay, der Gedanke hatte was, aber doch bitteschön nicht um zwei Uhr morgens. Sein Blick fiel auf die am Fußboden liegende Decke und einen Moment lang war er versucht, sie wieder aufs Bett zu ziehen und sich in ihr einzuwickeln. Aber Nick kannte Tristan und er wusste, was ihm blühte, wenn er jetzt nicht aufstand und tat, was der von ihm verlangt hatte. Also ließ er es bleiben und quälte sich stattdessen mit einem Stöhnen aus dem Bett, um Tristan ins Badezimmer zu folgen.
Der ganze Raum roch nach Eukalyptus und Nick wurde sofort leicht schwummrig, als er eintrat und dabei zusah, wie Tristan einen großen Schluck einer grünen Flüssigkeit in die voll laufende Wanne gab. Er schloss die Tür hinter sich. „Seit wann habe ich ein Erkältungsbad?“
„Seit Dad es dir im letzten Winter mitgegeben hat, als du kurz nach Weihnachten knapp an einer Grippe vorbei geschrammt bist“, antwortete Tristan und drehte den Heißwasserhahn zu.
Nick runzelte ratlos die Stirn. Daran konnte er sich gar nicht mehr erinnern. „Ach so?“
Tristan zwinkerte ihm zu. „Los, runter mit den Klamotten und ins Wasser mit dir. Du bist nicht nur müde, sondern auch vollkommen verspannt. Ich bin Schauspieler, ich sehe so was. Gönn dir endlich mal eine Nacht Ruhe, Nick.“
„Ich habe einen Termin in...“, wandte er ein, doch Tristan ließ ihn nicht aussprechen.
„Etwas über sechs Stunden, ja, das weiß ich“, unterbrach der ihn unwirsch und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das ist genug Zeit, um dich ein klein wenig aufzupäppeln. Also, steigst du jetzt freiwillig in die Wanne, oder muss ich nachhelfen, Kendall?“
„Das möchte ich sehen.“ Als sich Tristan umgehend und sehr breit grinsend vom Wannenrand erhob, hielt Nick abwehrend beide Hände hoch. „Schon gut, das war ein Scherz. Ich mach ja schon.“
„Okay, ich sehe derweil nach, ob du was im Kühlschrank hast, das man Essen schimpfen kann“, erklärte Tristan zufrieden und trat an ihm vorbei zur Tür.
„Ich habe keinen Hunger“, wehrte Nick rein aus Trotz ab, weil es ihm unangenehm war, so bemuttert zu werden. Das hatte Tristan von seiner Mutter, Rachel war in der Beziehung genauso. „Hör auf, mich wie ein Kind zu behandeln.“
„Dann benimm dich nicht wie eines. Nick, leg dich endlich in die Wanne und entspann dich, während ich dir etwas zu essen mache. So wie du aussiehst, hattest du in den letzten Tagen nicht viel.“
Nick ließ sein Schlafshirt sinken und sah an sich hinunter, um dann Tristan fragend anzusehen. „Was? Ich sehe aus wie immer.“
Der warf ihm einen äußerst tadelnden Blick zu. „Brauchst du rein zufällig eine Brille? Du warst schon immer schlank, aber nicht so sehr, dass man auf deinen Rippen Klavier spielen konnte, wie es jetzt der Fall ist. Dafür bin ich dürres Hemd zuständig.“
„Du bist nicht dürr“, widersprach Nick und stieg gleichzeitig in die Wanne. Das Wasser war perfekt, was ihn wohlig aufseufzen ließ. „Dan war dürr, aber das wird deine Mum bis Ende dieses Jahres mit Sicherheit geändert haben.“ Tristan grinste und verschwand nach draußen, um keine zehn Minuten später mit einem Teller voller dick belegter Sandwiches und zwei Tassen Tee wieder im Raum zu stehen. Und genau in diesem Moment begann sein Magen lautstark zu knurren. „Elender Verräter“, knurrte Nick in Richtung seines Bauches, weil Tristan sofort zu lachen begann, und nahm ein Sandwich, um sich damit zurück gegen den Wannenrand zu lehnen. Genüsslich kauend sah er zu, wie Tristan den Teller in Ermangelung einer Ablagefläche auf dem Fliesenboden abstellte und dann einen Schluck Tee trank. Dabei betrachtete er ihn. Nick war dieser genaue Blick unangenehm. „Ist was?“
Tristan seufzte und nahm sich ebenfalls ein Sandwich. „Wann hast du dich das letzte Mal im Spiegel angesehen? Ich meine so richtig, und nicht nur um morgens den Sitz deiner Krawatte zu prüfen. Nick, du wiegst momentan eindeutig zu wenig für deine Größe. Außerdem sah deine Narbe auch schon mal besser aus.“
Was das anging, konnte er Tristan nicht einmal widersprechen. Es
Weitere Kostenlose Bücher