Blind ist der, der nicht lieben will
war schon immer ein Trotzkopf gewesen. Genauso wie Connor. Brüder eben.
Nick schmunzelte, trotz aller Sorge. „Komm schon. Ich höre nicht auf, bis du mit mir redest.“
„Hau ab.“
Tristan meinte es ernst, was Nick die Stirn runzeln ließ. Connor musste seinen Bruder mächtig verärgert haben. „Tut mir leid. 'Hau ab' ist im Angebot leider nicht mit inbegriffen“, versuchte er es auf die neckische Tour, bekam aber keine Antwort, was Nicks innere Alarmglocken schrillen ließ. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. „Tristan, was ist denn los?“, fragte er beunruhigt nach, um wieder mit Schweigen bestraft zu werden. Und da wurde er ernsthaft nervös. „Ich rück dir solange auf die Pelle, bis du mir sagst, was los ist.“
„Pfft“, machte Tristan daraufhin trotzig, was Nick unwillkürlich grinsen ließ. Vielleicht bekam er seinen Freund ja auf die Art zum reden.
„Sagst du mir freiwillig, in welchen Teil deines Lebens er sich einzumischen versucht, obwohl es ihn nichts angeht, oder soll ich raten?“, fragte Nick, was mit einem weiteren 'Pfft' kommentiert wurde. Davon ließ er sich aber nicht beirren, sondern betrachtete Tristan ganz genau. Nick fiel nur ein Bereich ein, den wohl jeder, ob Mann oder Frau, verteidigen würde, wenn es etwas zu verteidigen gab. „Ich nehme mal an, dass es privat ist.“ Keine Reaktion, was in gewisser Art und Weise auch eine war. „Er mischt sich in dein Liebesleben ein, wie wir es letztes Jahr bei ihm und Dan gemacht haben, oder?“ Tristan erstarrte. „Aha.“
„Nichts 'aha'“, murrte Tristan hörbar verärgert und sah zu ihm. Seine hellblauen Augen waren dunkel vor Wut. „Lass mich in Ruhe, kapiert?“
Nicks Augen weiteten sich. „Wow, Tris... nicht schießen, ich bin unbewaffnet.“ Statt eines Kommentars vergrub Tristan sein Gesicht wieder in den Händen und da war ihm alles klar. „Du bist verliebt, stimmt's?“ Nach der Frage hätte Tristan einer Salzsäule Konkurrenz machen können, was Antwort genug war. „Und was hat das mit Connor zu tun?“ Schweigen. „Tristan, bitte...“
Es dauerte eine ganze Weile, aber dann seufzte Tristan, bevor er in seine Finger nuschelte, „Er will, dass ich es ihm sage.“
„Oh.“ Nick verstand sofort. Da hatte jemand ganz offenbar keine Ahnung von seinem Glück. Im nächsten Augenblick blieb ihm vor Verblüffung der Mund offen stehen. Ihm? Nick brauchte eine Weile, bis er seine Mimik wieder unter Kontrolle hatte und fragen konnte, „Ihm?“ Tristan nickte nur. Moment mal. „Tris, sieh mich an.“
Was der natürlich nicht tat, sondern ihn stattdessen beleidigt fragte, „Hast du damit ein Problem, Kendall?“
„Natürlich nicht, du Idiot.“ Ein komisches Gefühl war es aber trotzdem, das musste sich Nick zähneknirschend eingestehen. Sein bester Freund interessierte sich für Männer? Das war neu. Das war sogar sehr neu. Irritierend ebenfalls und irgendwie seltsam. Nick seufzte stumm. „Ich bin überrascht“, gestand er danach leise. „Du hast nie irgendetwas in der Richtung verlauten lassen. Klar, wir haben in den Clubs geflirtet und getanzt, um mir die Kerle und dir die Frauen vom Hals zu halten, aber... oh man.“
„Ja, so ging es mir auch“, gab Tristan nach einer Weile, die sie geschwiegen hatten, zu. „Ich war total schockiert, gelinde gesagt, als mir klar wurde, dass ich mich in einen Mann verliebt habe.“
Nick wusste genau, was in Tristan vorgegangen war, denn er hatte vor vielen Jahren das gleiche durchgemacht, als ihm aufgefallen war, dass er mit Frauen nichts das Geringste anfangen konnte. Und er wusste auch noch, dass er eine Weile gebraucht hatte, um das zu verdauen. „Ich werde nicht fragen, ob du darüber reden willst, in Ordnung?“ Tristan sah ihn an und die Erleichterung in seinem Blick tat weh, auch wenn er nicht erklären konnte, warum. Nick beließ es dabei. „Um mal zum Thema zurückzukommen“, meinte er stattdessen und erwiderte Tristans Blick offen. „Wäre es verkehrt, wenn du es ihm sagst? Ich meine, du bist weder schüchtern noch...“ Nick brach ab, als ihm die Erkenntnis kam. „Er ist vergeben?“
„So kann man das auch nennen“, murmelte Tristan kaum hörbar und wandte den Blick wieder von ihm ab. „Con meint, ich sollte es ihm trotzdem sagen. Ich wusste nicht mal, dass er davon weiß, aber das ist auch nebensächlich. Es müsste ein Wunder passieren, damit...“
Tristan beendete den Satz nicht, aber Nick wusste trotzdem, was er hatte sagen wollen.
Weitere Kostenlose Bücher