Blind ist der, der nicht lieben will
Rechnung machen.
Nick entschied zu handeln. „Dan weiß, dass du süchtig bist.“
Tristans Augen weiteten sich schockiert. „Was?“
„Wahrscheinlich hat er als Ehemaliger einen sechsten Sinn dafür, keine Ahnung“, erzählte Nick weiter. „Er hat es mir ins Gesicht gesagt, als wir heute spazieren waren, und so wie du im Moment aussiehst, wird es morgen früh sowieso jeder wissen. Darum möchte ich mit deinem Vater reden... Jetzt.“ Tristan schüttelte den Kopf. „Du weißt, was ich darüber denke“, hielt Nick dagegen, was Tristan aber nur noch hektischer mit dem Kopf schütteln ließ, während er gleichzeitig versuchte, sich aus seiner Umarmung zu lösen. Nick ließ es nicht zu. „Glaubst du, mir ist nicht klar, dass du eine Scheißangst hast? Aber darauf werde ich keine Rücksicht nehmen. Nicht dieses Mal, dazu ist deine Lage zu ernst. Dein Vater kann dir besser durch deinen Entzug helfen, auch wenn ich durch meinen alten Herrn weiß, was ich tun muss. Tristan, ich kann dir keine Medikamente geben, falls du welche brauchst.“
„Das kannst du nicht machen“, wehrte Tristan ab und in seiner Stimme schwang die pure Verzweiflung mit. „Nick, bitte...“
„Sei vernünftig.“ Nick nahm Tristans Gesicht in seine Hände. „Du weißt, dass ich Recht habe. Deine Entzugserscheinungen wirken sich mit jeder Stunde deutlicher auf deinen Körper aus, und glaub mir, sie werden noch bedeutend heftiger, bis es in ein bis zwei Wochen endlich besser wird.“
„Zwei Wochen?“, echote Tristan leise und schluckte hörbar.
Nick hätte fast hysterisch aufgelacht, so entsetzt war er über Tristans Frage. Entweder hatte der wirklich keine Ahnung, oder er steckte schon so tief drin, dass er die Folgen lieber verdrängte. Nick vermutete Letzteres, denn wenn sein bester Freund eines nicht war, dann dumm.
„Willst du eine Kurzfassung, was dich die nächste Tage erwartet, oder möchtest du dich lieber überraschen lassen?“, fragte er daher giftiger, als er es beabsichtigt hatte und Tristan fuhr zusammen, was ihn hämisch grinsen ließ. „Hab ruhig Angst, Kumpel. Vielleicht hilft sie dir ja, die Sache durchzustehen.“
„Ich...“, fing Tristan hilflos an.
Nick ließ ihn nicht ausreden. „Zittern, Schwitzen und Frieren im Wechsel, immer wiederkehrende Übelkeit, Kribbeln im ganzen Körper, während dein Kreislauf total verrückt spielt. Du kannst nicht mehr alleine gehen, hast Sehstörungen, Kopfschmerzen, dein Magen dreht sich von innen nach außen, während du dir am liebsten die Haut vom Körper kratzen würdest, so sehr juckt sie in ein paar Tagen. Wenn du Glück hast, bleibst du vom Herzrasen verschont, aber das kriegst du gar nicht mit, weil du die ganze Zeit über unruhig bist und Angstzustände hast. Dazu kommen Gedächtnislücken, tagelanger Schlafmangel, wegen dem du irgendwann komplett neben dir stehen wirst, und möglicherweise Halluzinationen und Verfolgungswahn.“
Tristans Augen schienen mit jedem seiner Worte größer zu werden und Nick war klar, dass er gegen die Panik ankämpfte, genauso wie er wusste, dass das, was er gerade machte, verdammt fies war, aber wie sollte er Tristan denn sonst klarmachen, dass er allein keinen Entzug durchstand?
„Tris?“
Nick fuhr herum, um direkt in Connors Gesicht zu sehen, der wenige Schritte hinter ihnen stand und seinen Bruder fassungslos anstarrte. „Con...“ Er konnte nicht ausreden.
„Stimmt das, Tris?“, fragte Connor, den Blick weiter auf Tristan gerichtet. „Sag mir die Wahrheit. Trinkst du?“
- 7. Kapitel -
Nick seufzte stumm, während er Daniel zuhörte, der mit leisen Worten versuchte Connor zu beruhigen, der, die Ellbogen auf seine Knie gestützt und den Kopf in den Händen vergraben, auf einem Küchenstuhl saß und gerade den Kopf schüttelte. Daniel schaute ihn fragend an, als Nick ihn an der Schulter berührte. 'Lass mich mit ihm reden', formte er mit den Lippen, was Daniel nicken ließ, dann stand er schweigend auf, um die Küche zu verlassen, während Nick sich auf den freigewordenen Stuhl neben Connor setzte.
„Sieh mich an.“ Keine Reaktion. „Connor, sieh mich an!“, wurde er lauter und half nach, als der sich immer noch nicht rührte. Mit einem bestimmten Griff in Connors schwarze Locken, zog er dessen Kopf nach oben, bis er ihm in die Augen sehen konnte, in denen nur eines stand. Schuld. „Fang jetzt nicht so an, Connor. Dafür kannst du nichts.“
„Ich hätte nicht...“
„Was?“, unterbrach Nick ihn unwirsch.
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