Blinde Verführung (German Edition)
Andy schien machtlos gegen seinen Bruder zu sein, und die anderen machten keinen Finger krumm, um ihr beizustehen. Sie amüsierten sich im Gegenteil königlich über den Schlagabtausch.
Marlene reichte ihre Wasserflaschen weiter und setzte sich auf den freien Platz neben Patrick. Sofort legte sich sein Arm um ihre Taille. „Was ist denn hier los? Habe ich was verpasst?“, fragte sie ein wenig besorgt.
„Aufnahmeritual. Jeder Neue muss sich gegen uns behaupten“, erwiderte er leise.
Sie runzelte die Stirn. „Mich habt ihr nicht so durch die Mangel gedreht.“
„Stimmt. Aber du kannst Kuchen backen.“ Patrick lächelte schelmisch. „Das trumpft fast alles.“
„Gib ruhig an, Pat“, maulte Phil.
„Noch mehr als sonst?“ Marco hob eine Augenbraue. „Bitte nicht.“
„Siehst du? Sie halten mich für einen Idioten“, seufzte Patrick wehleidig. „Aber das ist es wert.“
Marlene lachte und belohnte ihn mit einem innigen Kuss. Er wäre wieder ausgeartet, wäre in dem Moment nicht Heidi ins Wohnzimmer gesegelt gekommen und hätte mit geübter Hand einen Salatteller nach dem anderen vor den hungrigen Gästen auf den Tisch gleiten lassen. Ethan folgte auf dem Fuße, verteilte die restlichen Portionen und schenkte ihnen eine köstliche, mit Gin veredelte Holunderlimonade ein. Sie prosteten sich zu und gratulierten Ethan noch einmal überschwänglich zum Geburtstag, und natürlich auch zu seiner frisch gekürten Küchenfee.
„Wir haben dich nicht einmal fluchen gehört“, sagte Patrick und schob sich genüsslich einen scharf angebratenen Pilz in den Mund. „Mmh, fantastisch. Du wirst wohl weich auf deine alten Tage.“
„Sie hat gedroht mir die Daumen zu brechen, wenn ich noch einmal ihre Schneidetechnik kritisiere“, entgegnete Ethan achselzuckend. „Mein Selbsterhaltungstrieb hat über meinen männlichen Stolz gesiegt.“
Heidi lächelte selbstzufrieden und schob sich eine Gabel voll Salat nach der anderen in den Mund.
„Apropos Daumen brechen, mich hat gestern Nacht Gregori angerufen“, sagte Patrick. Sofort wurde es still am Tisch und jeder sah ihn erwartungsvoll an. „Er kommt nächste Woche in die Stadt.“
„Und?“
„Was und?“
„Mehr hat er nicht gesagt?“, fragte Phil enttäuscht. „Ich hatte gute Neuigkeiten erwartet.“
„Das ist gut genug für den Anfang. Er hatte ein riesiges Gerichtsverfahren am Hals.“ Patrick strich Marlene über den Arm. „Aber jetzt, wo das durch ist, kann er sich um sie kümmern.“
„Das dauert aber bestimmt noch“, gab Andy zu bedenken. An Marlene und Heidi gewandt fragte er: „Evelina eskaliert eher, als dass sie sich zurückzieht. Beherrscht ihr vielleicht ein paar Selbstverteidigungstechniken?“
„Ich habe mal einen Kurs gemacht“, sagte Heidi.
„Ich leider nicht“, seufzte Marlene.
„Kein Problem, ich habe nächste Woche ein paar Tage frei. Wenn du willst, zeige ich dir ein paar einfache Manöver.“
Seine Freundin sah überhaupt nicht begeistert aus, aber Marlene kam sein Angebot sehr gelegen. „Sehr gerne, danke.“
„Keine Ursache. Ich weiß, dass Pat sich wohler fühlen wird, wenn du dich im Notfall gegen sie wehren kannst.“ Andy holte eine Visitenkarte aus seiner Hemdtasche und reichte sie ihr. „Ruf mich am Montag an, da bin ich abends mit ein paar Kollegen im Sportstudio. Tom wird wahrscheinlich auch da sein.“
„Kann ich vielleicht mitgehen?“, fragte Heidi. „Eine Auffrischung würde mir bestimmt gut tun.“
„Klar, kein Problem. Ab sieben bin ich da. Falls mir was dazwischen kommt, sage ich vorher Bescheid.“
„Ich komme auch“, sagte seine Freundin und verschränkte die Arme vor der Brust.
Hinter ihrem Rücken schnitt Heidi eine Grimasse, und auch Thomas verzog das Gesicht. Marlene kümmerte es nicht; ihr war nur wichtig, sich nicht mehr ganz so hilflos zu fühlen.
„Willst du vielleicht auch noch, Kelly?“, fragte Andy trocken.
„Wieso nicht? Irgendwer muss Marco ja ab und zu in den Hintern treten.“
Sein Protest löste allgemeine Erheiterung aus, und das Thema wurde vorerst fallen gelassen. In der nächsten halben Stunde wurde Ethan unerbittlich über seinen Geburtstagsempfang in London ausgequetscht und wegen diverser, reicher Erbinnen aufgezogen. Seine Freunde gaben sich alle Mühe, ihn zum Lachen zu bringen und lobten seine Vorspeise auf die bestmögliche Art, indem sie die Teller blitzblank leer putzten und nach Nachschlag verlangten.
„Versteck dich nicht nur in der Küche“,
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