Blinde Verführung (German Edition)
ab und zu aus ihrem Loch herausfischte und dazu zwang Spaß zu haben.
oOo
Ein paar Tage später schlenderten Patrick und sie direkt nach seinem zweiten CT-Scan Arm in Arm durch den Park des Krankenhauses und genossen die goldene, frühabendliche Sonne. Leichter Wind rauschte durch die Baumkronen, an denen sich die Blätter schon rot und braun verfärbten. Es war frisch genug für ein leichtes Strickjäckchen, aber an Patrick geschmiegt war Marlene überhaupt nicht kalt. Er hatte seinen Blindenstock neben seinem Bett stehen lassen und ihr die Führung überlassen – ein großer Vertrauensbeweis.
„Was hat Doktor Günther gesagt?“, fragte sie. „Haben sich deine Nerven wieder beruhigt?“
„Noch nicht. Aber er sagt, dass sie ziemlich schnell heilen. Es soll wohl bald wieder gut sein.“
Marlene hatte das Gefühl, dass er ihr etwas verschwieg, aber sie wollte ihn nicht mit nervigen Fragen ärgern und ließ das Thema lieber fallen. Er hatte schon genug mitgemacht.
Schweigend gingen sie den gewundenen, breiten Weg entlang und bewunderten die Farben und den Geruch der Herbstblumen, die auf hübsch angelegten Rabatten blühten.
„Ich finde, gelb steht dir gut“, sagte Patrick unvermittelt, nachdem sie in einen Lichtkegel auf dem Weg getreten waren. Er drückte Marlenes Hand und lächelte. „Ich wollte, ich könnte dich malen. Das wäre ein tolles Motiv.“
„Wie kommst du darauf?“, fragte sie und strich leicht über ihr Kleid. Ihr gelbes Kleid. Allmählich glaubte sie, dass er mentale Kräfte hatte! Das war jetzt schon das dritte oder vierte Mal in zwei Tagen, dass er solche Bemerkungen fallen ließ! Blinzelnd sah sie zu ihm hoch, doch leider versteckte eine tiefschwarze Sonnenbrille seine Augen.
Patrick zuckte mit den Schultern. „Bei so schönem Wetter sollte man fröhliche Farben tragen. Gelb ist fröhlich.“ Er atmete tief ein und brummte zufrieden. „Wir hätten ein Picknick machen sollen.“
„Nächstes Mal“, versprach sie, immer noch argwöhnisch.
Ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf seinem attraktiven Gesicht aus. „Das ist ja schon morgen.“
Sie schloss die Augen, als er sie hungrig küsste. „Stimmt auffallend.“
„Und übermorgen darf ich endlich nach Hause.“ Er rieb seinen Bartschatten über ihre Wange, bevor er sie auch dort überall küsste. „Wirst du da sein?“
„Wenn du das möchtest?“
Patrick drehte sich leicht in ihrem Arm und nahm ihr Gesicht in seine großen Hände. „Wenn es nach mir ginge, würdest du schon längst dort wohnen, Miss Marlene. Also ja, ich möchte gerne, dass du morgen da bist, wenn ich nach Hause komme. Morgen, und übermorgen, und überübermorgen, und den Tag danach, und–“
„Ich habe verstanden“, flüsterte sie und küsste ihn. „Einmal Konditorin zum Mitnehmen, bitteschön.“
Er lachte über ihren halb ironischen und halb hoffnungsvollen Tonfall. „Es gefällt mir, wenn prompt geliefert wird.“
„Solange Nachfrage besteht, immer …“
„Ich frage jeden Tag, wenn du willst“, murmelte er und lächelte sie schief an.
Marlene ergab sich seinen fordernden Lippen und ließ sich gegen ihn sinken. Sie wusste, seine Schulter tat ihm immer noch sehr weh, aber sie hatten Wege gefunden, sich zu umarmen ohne sie zu belasten. Und gerade jetzt in diesem Moment tat Marlene nichts lieber, als diesen wunderbaren Mann fest an sich zu drücken und sich zu wünschen, dass er nie wieder von dort weggehen wollte.
oOo
Natürlich war Patricks Heimkehr nicht die ruhige, intime Angelegenheit, die er sich vorgestellt hatte. Im Gegenteil, seine Freunde überstimmten Marlene und arrangierten mit Hilfe von Patricks Haushälterin eine Überraschungsparty, die sich gewaschen hatte.
„Willkommen zu Hause!“, jubelte die Meute, als sie, bepackt mit Koffer und Reisetasche, in die Galerie kamen. Laute, triumphierende Musik plärrte unvermittelt aus der Stereoanlage und erschreckte sie beide fast zu Tode.
Patrick blieb wie angewurzelt stehen. Zum ersten Mal in ihrem Leben sah Marlene ihn komplett sprachlos. „Was macht ihr denn hier?“, fragte er verblüfft.
„Überraschung!“ Kelly kam vor und umarmte ihn fest. „Schön, dich endlich wieder daheim zu haben!“
Patrick sog scharf die Luft ein. „Kel, die Schulter!“
„Oh, sorry!“
Sie ließ ihn hastig los, trat zurück und reichte ihn an Dante weiter. Danach kamen Sean, Marco, Phil und Andy. Sogar Thomas’ Umarmung dauerte eine Sekunde länger als sonst, dabei
Weitere Kostenlose Bücher