Blinde Wahrheit
bedeutungsvollen Blick zu.
»Offensichtlich sollte mir der Name irgendetwas sagen, richtig?«, erwiderte Ezra und machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr. »Tut er aber nicht.«
»Das ist der Sohn von Hank Jennings – Hank ist der Bürgermeister.«
»Dann muss der Bürgermeister seinem Sohn mal Manieren beibringen.« Und wenn der Junge ein Blutsverwandter der Königin von England wäre. Selbst wenn es sich um den Präsidenten der Vereinigten Staaten persönlich gehandelt hätte – Hausfriedensbruch blieb immer noch Hausfriedensbruch. Und die Zerstörung fremden Eigentums war Zerstörung fremden Eigentums.
Aber Prather hörte ihm gar nicht mehr zu. Der Deputy starrte an Ezra vorbei und legte dabei seine rosige Stirn in Falten.
Unwillkürlich drehte Ezra sich um und folgte Prathers Blick.
Beinahe hätte er bei ihrem Anblick seine Zunge verschluckt.
Mist, verdammter!
Lena Riddle.
Auch wenn dies eigentlich kaum möglich war, so sah sie doch noch besser aus als drei Wochen zuvor. Dieses dunkelrote Haar, das im harten Licht der Halogenlampen schimmerte; diese blasse, weiße Haut. Sie trug kein Make-up, und ihr ungeschminkter Mund wies grimmige, unnachgiebige Züge auf.
Herrgott, diese Lippen, so voll und prall – er konnte sie beinahe wieder schmecken. Allein schon ihren Mund zu sehen, machte ihm Appetit auf mehr. Und auch der bloße Anblick ihres Körpers löste ihn ihm das Verlangen aus, sie berühren zu wollen.
Falsch. Nicht berühren zu wollen, zu müssen. Er musste sie einfach berühren.
Himmel!
Was tat sie überhaupt hier?
Er stieß zischend den Atem aus und war nun sogar froh darüber, dass ihn der Deputy nicht weiter beachtete. Ezra konnte nicht klar denken – geschweige denn sprechen.
Einer der anderen Deputies nahm sich ihrer an. Sie sagte etwas, und der Polizist zeigte zerstreut auf Prather.
Der murmelte etwas vor sich hin, so leise, dass es nicht zu verstehen war.
Aber es klang eindeutig genervt.
»Mr … äh … Detective King, ich werde anscheinend gebraucht, wenn Sie also … «
Ezra ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Oh, aber natürlich. Ich kann ein paar Minuten warten. Wir können uns um die Anzeige kümmern, wenn Sie fertig sind.«
Auf einmal hatte er es überhaupt nicht mehr eilig, wegzukommen – er wollte einfach nur für eine Weile dasitzen und sie anschauen, sich an ihrem Anblick laben. Nein – nicht bloß das.
Eigentlich wollte er zu ihr hinübergehen und ihr sagen: Es tut mir leid. Es tut mir leid, dass ich nicht angerufen habe. Gibst du mir noch eine zweite Chance? Im meinem Kopf herrscht zurzeit allerdings absolutes Chaos, weshalb ich dir nicht versprechen kann, dass sich das Ganze nicht noch einmal wiederholt …
»Also schön«, brummte Prather. Schicksalsergeben schob sich der Deputy an Ezra vorbei und ging auf Lena zu. Völlig zufrieden damit, sie einfach nur angucken zu können, verschränkte Ezra die Arme vor der Brust und wartete.
Selbst als Prather schließlich genau vor Lena stand, wandte er den Blick nicht ab. Der Deputy setzte ein leutseliges Lächeln auf – das gleiche, das er auch Ezra geschenkt hatte. »Hoffentlich bist du nicht wegen etwas Wichtigem hier, Süße«, brummte Ezra. Der Holzkopf schien an diesem Tag nicht vorzuhaben, tatsächlich auch mal zu arbeiten.
Was zum Teufel macht sie hier? , fragte er sich und in seine Überraschung mischte sich allmählich Sorge.
Sie und der Deputy standen eigentlich zu weit weg, als dass Lena ihn gehört haben konnte, dennoch wandte sie den Kopf in seine Richtung. In seiner Magengegend begann es zu kribbeln, aber er versuchte es zu ignorieren. Sie mochte vielleicht extrem gute Ohren haben, aber sie konnte nicht wissen, dass er hier war, nicht auf diese Entfernung.
Was immer sie auch gesagt hatte, es veranlasste Prather dazu, den Kopf zu schütteln. Dann hielt er inne und blickte zu Ezra herüber, der nun tiefer in den Stuhl rutschte, das rechte Bein ausstreckte und sich geistesabwesend den Oberschenkel massierte.
Auch wenn er müde war, so schnell würde er sich nicht abspeisen lassen. Er hatte eine Anzeige zu erstatten … und wahrscheinlich sollte er wirklich mit Lena reden. Womöglich war es göttliche Vorsehung, die sie beide am selben Tag hierhergeführt hatte.
Prather zuckte mit den Schultern. Dann machte er einen Schritt zur Seite und griff nach ihrem Arm. Doch im selben Moment, da seine Finger sie berührten, trat Lena ausweichend nach hinten.
Dann sah er den Mann, der sie begleitete.
Er
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