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Blinde Wut

Blinde Wut

Titel: Blinde Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scheibler
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näher an Wagner heran.
    »Krüger ist ein Arschloch«, raunte sie ihm wenig damenhaft zu.
    Wagner mißbilligte zwar die abermalige Erwähnung von Krüger, stimmte ansonsten aber ihrer Aussage zu.
    »Weil er mich versetzt hat und ich jetzt in diesem öden Schuppen rumhängen muß.«
    Dieser Zusatz gefiel Wagner schon weniger. Er sah sich um. Öde konnte man das Lokal gewiß nicht nennen. Sollte dieses Attribut vielleicht auf ihn gemünzt sein? Er sah sie an, aber sie war völlig arglos. »Wollen wir noch woanders hingehen?« fragte er in der Hoffnung, daß sie ablehnen würde. Aber sie lächelte ihn gnädig an und stimmte mit einem leichten Nicken zu.
    Wagner war froh, das Lokal verlassen zu können. Er hatte immer wieder zum Eingang hingeschaut, denn er fürchtete, Krüger, vor dem er nur einen kurzen Vorsprung hatte, könnte dort jeden Moment auftauchen. Einem Konflikt mit ihm wollte Wagner lieber aus dem Weg gehen, wußte er doch nicht, wie strapazierfähig seine Lippen waren. Vielleicht hatte Krüger bei seiner Suche nach Gaby mit einem anderen Lokal begonnen, und diese Überlegung veranlaßte Wagner, Krügers Stammlokale von jetzt an lieber zu meiden.
    Viele Möglichkeiten blieben da nicht übrig. Nachdem Wagner sich aber von der Vorstellung befreit hatte, es müsse unbedingt ein Lokal sein, das Gaby zusagte, steuerte er auf gut Glück eine Bar an, von der er nicht wußte, daß sie, obwohl im Sperrgebiet gelegen, ein Treffpunkt für Huren und Freier war. Gaby schien nicht zu ahnen, wo sie sich befand. Zwar kamen ihr die Gäste etwas sonderbar vor, und das teilte sie Wagner auch flüsternd mit, aber sie wollte sich keine Blöße geben. Vielleicht waren das ja Künstler? Mit dieser Spezies hatte sie bisher nur wenig zu tun gehabt.
    Als sie dann beide auf ziemlich unangenehme Weise angemacht wurden, sie als Hure und er als Freier, und sie mit ihrem Verhalten zeigten, daß sie nicht hierher gehörten und man sie als Spanner beschimpfte, sahen sie sich genötigt, das Lokal schnellstens zu verlassen.
    Wagner kam sich dämlich vor und hoffte inständig, daß sich dieses Fiasko, dessen Urheber er schließlich war, nicht im Präsidium rumsprechen würde. Gaby nahm die Sache von der komischen Seite. Sie lachte und bekannte freimütig, daß Krüger ihr ein solches Erlebnis bestimmt nicht würde bieten können. Wagner ärgerte sich zwar, daß sie Krüger schon wieder erwähnt hatte, beruhigte sich aber gleich darauf wieder. Schließlich hatte sie so etwas wie einen Vergleich gezogen, und bei dem war er, Wagner, zumindest indirekt als Sieger hervorgegangen.
    »Was jetzt?« fragte er aufgekratzt. »Noch ein letzter Versuch, oder wollen wir es lieber lassen?«
    »Noch ein Versuch«, sagte sie und fügte lächelnd hinzu: »Es muß auch nicht der letzte sein.«
    Wagner kannte ein Weinlokal ganz in der Nähe. Dort hatte er einmal mit Lutz den Abschluß eines komplizierten Falles gefeiert. Biedere Leute verkehrten dort, es gab eine gutbürgerliche Küche und anständige Weine: der richtige Ort für eine ungestörte Unterhaltung. Die Frage war nur: über was?
    Wagner blickte Gaby an. Die lächelte unternehmungslustig und nahm seinen Arm. Wagner war froh, daß sie seine Gedanken nicht lesen konnte. Er fing nämlich langsam an, sich in ihrer Gegenwart wohl zu fühlen.
    Das Weinlokal war sicher einen Versuch wert, zumal Gaby ja noch weitere in Aussicht gestellt hatte. Er würde erst einmal ein Achtele für jeden bestellen, dann könnte man ja weitersehen.
    Dazu kam es dann doch nicht, denn auf dem Weg zu dem Weinlokal fiel ihnen eine im Stil der fünfziger Jahre gehaltene Neonschrift auf, die blinkend auf ein Tanzlokal aufmerksam machte. Beide fühlten sich gleichermaßen von der Reklame angesprochen und folgten in stiller Übereinkunft den Leuchtpfeilen, die sie erst in eine Seitenstraße und dann in das erste Stockwerk eines alten, geräumigen Hauses führten, in dem sich das Tanzlokal befand. Hier tanzten ältere Herrschaften im Takt der Schlager aus den späten Fünfzigern, die von einer Band von Greisen dargeboten wurden. Wagner und Gaby sahen sich verwundert um. Das war keine mühsam hergestellte Nostalgie, das war alles original aus den fünfziger Jahren, hier hatte sich nichts verändert, und auch das Publikum schien, jetzt stark gealtert, aus dieser Zeit zu stammen.
    »Tanzen Sie?« fragte Gaby, die überwältigt zu sein schien, von diesem grotesken Panoptikum, das sich mitten in der Großstadt aufgetan hatte.
    Wagner nickte

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