Blinde Zeugen: Thriller
nicht entzückend? Als die Jungs die Haustür eingetreten haben, ist sie mit einem Küchenmesser auf sie losgegangen.«
Als Nächste wurde Mrs. McLeod selbst aus dem Transporter geholt. Sie trug wieder ihr schwarz-weißes Ensemble aus Seide und Kaschmir, und als sie aus dem Wagen stieg und das Polizeigebäude betrat, glitzerte ihr Geschmeide im Neonlicht.
Gleich nach ihr spazierte Finnie zur Tür herein. »O doch, Agnes, Sie werden sich hier bestimmt wie zu Hause fühlen. Die Zimmer sind zwar ein bisschen kompakt, aber die Aussicht ist grandios.« Er schloss mit einem kleinen Hüpfer zu ihr auf und zwinkerte ihr zu. »Aber vergessen Sie nicht, dem Pagen ein Trinkgeld zu geben, ja? Sonst tut er Ihnen am Ende noch Popel in den Tee.«
Sie hielt einen Moment inne, sah ihn von oben bis unten an und spuckte aus. »Mein Tony war zehn von eurer Sorte wert!«
Finnie wischte sich mit einem Papiertaschentuch den Speichelbatzen von der Lederjacke. »Vielen Dank, Agnes, aber die DNS-Probe nehmen wir Ihnen erst ab, nachdem wir mit den Fingerabdrücken fertig sind.« Er wandte sich an die beiden Constables, die sie eskortieren. »Geleiten Sie Mrs. McLeod zur Penthouse-Suite, meine Herren.«
Die beiden packten ihre Arme, doch sie blieb resolut stehen. »Ich kann selber gehen!« Sie klopfte sich den Staub von den Kleidern und ließ sich schließlich abführen.
»Ahhhh …« Während die Polizisten mit Mrs. McLeod die Treppe zum Zellentrakt hinuntergingen, lehnte DCI Finnie sich an die Wand, die Augen geschlossen, den Kopf in den Nacken gelegt. »Davon träume ich schon seit Jahren .« Dann stieß er sich ab und klatschte in die Hände. »Na schön, und jetzt wollen wir –«
Er brach ab, als draußen tumultartiger Lärm einsetzte – laute Stimmen, dazwischen das schrille Gekläffe eines kleinen Hundes. Dann die Stimme eines Polizisten, der sagte: »Tut mir leid, Madam, aber Sie dürfen hier nicht rein.«
Eine Frauenstimme rief: »Dazu haben Sie verdammt noch mal kein Recht!«
Finnies Grinsen wurde noch breiter. »Sehen Sie doch mal nach, wer das ist, Pirie.«
Der DS tat, wie ihm geheißen, und riss die Tür weit auf. Es war Hilary Brander mit ihrem räudigen Terrier. Heute trug der Hund ein blaugrün gemustertes Regenmäntelchen mit kleinen Schafen. Er zerrte an seiner Leine und blaffte den Uniformierten an, der ihnen den Weg versperrte. »Alle Anfragen sind an den diensthabenden Beamten am Empfangsschalter zu richten.«
»Das ist schon in Ordnung, Constable«, sagte Finnie. »Lassen Sie die nette Dame herein.«
Sie stürmte ins Gebäude und steuerte schnurstracks auf den DCI zu. »Sie mieses, hinterhältiges, verschlagenes Dreckstück!«
»Ah, Ms.Brander – freut mich sehr , Sie zu sehen. Falls Sie Ihre Schwiegermutter suchen, die haben Sie gerade verpasst. Aber keine Sorge, wir werden sie nur so lange hierbehalten, bis wir sie dem Richter vorführen können.« Er sah auf seine Uhr. »Was am Montag der Fall sein wird.«
» Montag? Das können Sie nicht machen!«
»Es tut mir ausgesprochen leid, Ms. Brander, aber das Gericht ist samstags und sonntags geschlossen, deshalb wird Ihre Schwiegermutter leider bis dahin unsere Gastfreundschaft genießen müssen. Es ist wirklich jammerschade , aber was soll ich machen?« Er hob theatralisch die Schultern und machte sich gar nicht erst die Mühe, das Grinsen von seinen wulstigen Lippen zu verbannen.
»Sie sollten sich was schämen – eine alte Frau einzusperren, deren Sohn geblendet wurde!«
»Ich weiß – ist ein Wunder, dass ich überhaupt noch schlafen kann.« Der DCI verschränkte die Arme und beugte sich vor, bis er nur noch Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt war. »Also, möchten Sie uns jetzt vielleicht verraten, wo Sie am Mittwochabend waren?«
»Was?« Sie wich einen Schritt zurück. »Ich war zu Hause, bei Simon.«
»Tatsächlich? Wie schade …«
»Was heißt hier schade ? Er ist blind , Sie Trottel!«
»Tja, wissen Sie, ich habe schon Colin wegen Mordversuchs drangekriegt und seine Mutter wegen Strafvereitelung, und jetzt fehlt mir nur noch Simon, um meine Sammlung zu komplettieren.«
»Sie sind ein Arschloch.«
»Aber Ms. Brander – solche Ausdrücke aus dem Mund einer jungen Dame!« Finnie stieß sich von der Wand ab. »Wie auch immer, ich würde ja liebend gern noch weiter mit Ihnen plaudern, aber ich muss jetzt wirklich los. Es wird sich bestimmt jemand finden, der Sie hinausgeleitet. McRae, in mein Büro – in zehn Minuten.« Er machte
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