Blinde Zeugen: Thriller
Regime stützt. Und er hatte genug Freunde, um gefährlich zu sein.« Er schien ein wenig in sich zusammenzusinken. »Am 26. November 1980 gab große Explosion in SB-Zentrale.«
Logan musste verwirrt geschaut haben, denn Płotkowski erklärte: »SB steht für Słu z˙ ba Bezpiecze n´ stwa . War Sicherheitsdienst von Innenministerium. Kommunistische Geheimpolizei – hat allen nach Leben getrachtet, die Regime die Stirn bieten.« Er lehnte sich zur Seite und spuckte auf den Boden. »Als SB-Zentrale in Luft geflogen, Regierung sprach von Gasunfall; Leute sollten nicht erfahren, dass in Wirklichkeit war Bombe. Also haben angefangen, Mitglieder von Solidarno s ´ c ´ zu verhaften … Leute wurden verprügelt. Sind verschwunden.« Seine massigen Schultern hoben und senkten sich. »Zwei Wochen später Polizeiwache in Kazimierz fliegt in Luft, und Kommunisten rufen stan wojenny aus – Kriegsrecht. Grenzen geschlossen, Ausgangssperre, unsere Post zensiert, unsere Telefone angezapft, Lehrer verhaftet, Zeitungsredaktionen geschlossen. Dann Unruhen brechen aus.«
Er starrte tief in sein Glas. »Leute auf Straße erschossen … Es war zu früh, wir haben das nicht gewollt . Aber Gorzkiewicz sagt: ›Das ist Fortschritt! Jetzt wir werden Freiheit bekommen.‹ Er wollte noch mehr Polizeiwachen in Luft sprengen … Wir hatten keine Wahl.«
Der alte Mann trank schweigend sein zweites Bier aus.
Logan nahm Notizbuch und Stift heraus und legte beides auf den Tisch. »Wissen Sie, wo Gorzkiewicz jetzt ist?«
Płotkowski schrieb eine Adresse auf, stand auf und ging wortlos davon.
Logan schleppte sich zurück zum Stadtarchiv. Jaroszewicz saß immer noch am selben Schreibtisch, und der elektrische Ventilator machte immer noch sein einschläferndes »ssssssssssss- klick , ssssssssssss- klick , ssssssssssss- klick « …
Er zog einen Stuhl auf der anderen Seite des Tischs heraus und setzte sich. »Was gefunden?«
Sie starrte ihn finster an. »Nichts. Ich bin zu allen Adressen gefahren, die Löwenthals Bruder genannt hat, und niemand weiß, wo er ist.«
»Das liegt daran, dass Löwenthal tot ist. Sie haben seine übel zugerichtete Leiche vor acht Monaten aus dem Fluss gefischt.«
Jaroszewicz knallte das Dokument, das sie gelesen hatte, auf den Tisch und fluchte. »Dann stimmt es doch«, sagte sie. »Das war alles eine einzige verdammte Zeitverschwendung.«
Logan zog sein Notizbuch aus der Tasche, schlug die entsprechende Seite auf und legte es vor ihr auf den Tisch.
Sie griff danach, las und runzelte die Stirn. »Was ist das?«
»Die Adresse von Rafal Gorzkiewicz.«
Und Jaroszewicz begann wieder zu fluchen.
»Warum schauen Sie mich so an?« Jaroszewicz rückte zwei Schritte in der Schlange vor.
Logan blickte zu den hohen Türmen der Marienkirche auf. Die mächtige Basilika aus rotem Backstein stand schräg versetzt am Rand des alten Marktplatzes, umschwärmt von Touristen, umwabert von Grilldüften. »Wollen Sie noch einmal beten, bevor wir zu Gorzkiewicz fahren?«
Sie rückte noch einen Schritt vor. »Sie halten sich wohl für unfehlbar.«
»Da, wo ich herkomme, gehört das nicht unbedingt zur normalen Vorgehensweise bei einer Ermittlung.«
»Sie sind aber nicht da, wo Sie herkommen. Sie sind da, wo ich herkomme, und so machen wir es nun einmal.«
»Ich dachte, Sie hätten gesagt, dass Sie aus Warschau stammen.«
»Ich bin als kleines Mädchen dorthin gezogen. Geboren wurde ich ganz in der Nähe von Krakau.« Sie hatten den Eingang fast erreicht – eine massive Doppeltür aus Holz in einem reich verzierten sechseckigen Vorbau. »Sind Sie katholisch?«
»Nein.«
»Dann dürfen Sie diesen Eingang nicht benutzen. Er ist nur für Kirchgänger. Sie müssen draußen warten.«
Logan blickte sich zum Marktplatz um, der in der Sonne brütete. »Wird es lange dauern? Ich meine nur, weil hier draußen so eine Bullenhitze ist.«
»Dann gehen Sie eben ein Bier trinken oder einen Kaffee oder irgendwas. « Und dann trat sie in die düstere Vorhalle und ließ Logan draußen stehen, allein mit der Schlange von Gläubigen und wieder einer von diesen blöden lebenden Statuen.
Logan schlenderte an der Seite der Kathedrale entlang und folgte einem Grüppchen amerikanischer Touristen zu einem Schild, auf dem stand, dass Besucher den Seiteneingang benutzen dürften. Vorausgesetzt, sie erstanden eine Eintrittskarte. Warum nicht?
Drinnen hätte der Kontrast zu St. Peter in Aberdeen nicht größer sein können. Statt nüchterner
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