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Blinde Zeugen: Thriller

Titel: Blinde Zeugen: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart MacBride
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wie sie geraten waren.
    Sie war nicht die einzige Besucherin: Auch Simons Bruder war da; er schritt ruhelos auf und ab und bewegte dabei lautlos den Mund. Es sah aus, als ob er auf etwas Bitterem herumkaute.
    Colin McLeod hatte die groben Züge seines Vaters geerbt, aber nichts von seinem Charme. Ein Meter fünfundsechzig muskelbepackte Aggressivität, das Haar kurz geschoren, um seine beginnende Glatze zu kaschieren. Die dicht behaarten Arme waren über und über mit Tätowierungen bedeckt: Totenschädel, Dolche, Disteln, ›MUTTER‹ , ›FREIHEIT‹ und ›KYLIE.‹
    Logan blieb am Fußende des Betts stehen. »Wie geht es ihm?«
    Colin McLeod funkelte ihn an. »Was geht Sie das an?«
    »He, ich wollte doch nur –«
    »Jemand hat ihm die Augen rausgeschnitten – was glauben Sie denn, wie’s ihm geht?«
    Hilary blickte von ihrem Platz am Bett auf und sagte mit bebendem Essex-Akzent: »Wieso können Sie uns nicht einfach in Ruhe lassen?«
    Logan hob die Hände. »Ich wollte nicht stören – wollte mich nur vergewissern, dass alles in Ordnung ist. Wir tun, was wir können, um die Leute zu schnappen, die das getan haben.«
    Colin McLeod kam durchs Zimmer auf ihn zugestürmt und blieb erst im allerletzten Moment stehen, wenige Zentimeter vor Logan. Er knirschte mit den Zähnen, die Sehnen an seinem Hals traten hervor wie Taue, und auf seiner Stirn pochte eine dicke Vene. »Das überlasst ihr verdammt noch mal mir, kapiert?« Er stieß Logan den Zeigefinger in die Brust. Auf den Knöcheln waren die Buchstaben »H-A-T-E« eintätowiert. »Das hat euch einen Scheißdreck zu interessieren.«
    »Sie wissen, dass wir das nicht machen können, Colin.«
    Der Finger stieß erneut zu. »Wenn ihr mir in die Quere kommt, wird euch das noch verdammt leidtun. Kapiert? Er ist mein Bruder.«
    Logan trat einen Schritt zurück. »Machen Sie nur keine Dummheiten, okay?«
    Simon stöhnte und wälzte sich unter Schmerzen in seinem Krankenhausbett. Hilary drückte seine Hand; eine dicke Träne rann ihr über die Wange und nahm den letzten Rest Mascara mit. Sie wischte sie weg. »Bitte, lassen Sie uns einfach nur in Ruhe.«
    Draußen auf dem Flur stieß Logan mit der Krankenschwester von gestern zusammen. Sie hatte dicke dunkle Ringe unter den Augen und eine Bettpfanne in der Hand. »Vorsicht!«, rief sie und bemühte sich, den Inhalt nicht zu verschütten. »Passen Sie doch auf, wo Sie … Oh, Sie sind’s.« Sie rückte rasch den Deckel über dem zurecht, was da drin herumschwappte. »Sie sind ja von der schnellen Truppe. Ich hab doch erst vor fünf Minuten angerufen.«
    »Angerufen?«
    »Diese Frau, die angeschossen wurde – sie ist aufgewacht.«
    Die Jalousien in dem kleinen Krankensaal hatte man heruntergelassen, um das Sonnenlicht und die Außenwelt auszusperren. Ein junges Paar saß an einem der anderen Betten; die Frau weinte, der Mann sah aus, als wüsste er nicht so recht, wo er war. Das kleine Kind, das an ein Beatmungsgerät angeschlossen war, regte sich nicht.
    Nur ein weiteres Bett war belegt – das mit der angeschossenen Frau. Sie sah nicht sehr viel besser aus als vor fünf Tagen, und sie war immer noch an diverse piepsende und gurgelnde Apparate angeschlossen. Sie schien zu schlafen, doch als Logan sich einen Stuhl heranrückte, zuckten ihre Lider, und sie schlug die Augen auf. Er zog den Vorhang um das Bett zu, um das junge Paar nicht zu stören.
    »Wie geht es Ihnen?«
    Sie sah ihn eine Weile schweigend an.
    Logan versuchte es noch einmal mit dem einfachsten polnischen Satz, den er kannte. » Dzie n´ dobry? «
    »Durst …« Ihre Stimme war ein schwaches Krächzen.
    Er goss aus dem Krug, der an ihrem Bett stand, Wasser in ein Glas. »Hier. Trinken Sie in kleinen Schlucken.«
    » Dzi e˛ kuj e˛ . «
    Logan lächelte. »Ich habe vergessen, was ›bitte‹ auf Polnisch heißt.« Sie leerte das Glas, und Logan schenkte ihr noch etwas ein. »Nicht zu viel auf einmal, sonst wird Ihnen schlecht. Glauben Sie mir, wenn Sie Nähte im Bauch haben, ist es gar keine gute Idee, sich übergeben. Das tut höllisch weh.«
    »Bitte, schieben mich nicht ab …« Ihr Englisch war um Längen besser als Logans Polnisch, aber er musste sich anstrengen, um sie zu verstehen.
    »Warum sollten wir das tun?«
    »Der … der Mann, der mich gezwungen, Filme zu machen, er hat gesagt, er wird Polizei sagen, dass ich bin Prostituierte, und dann sie stecken mich in Gefängnis. Schieben mich ab. Es tut mir leid …« Ihre Lippen zitterten, und

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