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Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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ihm in den wenigen Sekunden, die er in Jimmy Landis' Gesicht schaute, durch den Kopf.
    Der Junge explodierte. »Ich faß es nicht! Was soll das? Sie reden über meine Mutter, Sie reden über Nell. Wozu, weshalb? Es war ihr Herz. Wozu braucht man da Scotland Yard? Menschenskind!« fügte er hinzu, um den harten Burschen zu markieren.
    »Wir haben gerade bei ihr Tee getrunken«, fuhr Macalvie fort. »Bei Ihrer Mutter.«
    Keine Reaktion. Wütend zupfte Jimmy an dem Flaschenetikett.
    »Wär schade gewesen um die Verschwendung.«
    Jury sagte leise: »Macalvie, bitte!«
    »Wir haben gehört, Ihre Mutter ist krank.«
    »Und was geht Sie das an?« Selbst die pulsierenden Lichtreflexe von der Musikbox schwanden aus seinem Gesicht. Es sah völlig farblos aus.
    »Uns nichts, mein Junge, Sie aber sehr wohl.« Als Jimmy daraufhin schwieg, seufzte Macalvie und sagte: »Erzählen Sie uns, was Sie über Helen Hawes wissen.«
    »Nichts. Hab ich Ihnen ja schon gesagt. Ich habe sie nur ein paarmal gefahren, damit sie Essen einkaufen konnte und dergleichen.«
    »Und dabei geschwiegen wie ein Grab.«
    »Was?« Mit immer noch gesenktem Kopf warf Jimmy ihm von unten einen bösen Blick zu.
    »Sie haben sich nie unterhalten. Nie.«
    »Herr im Himmel, natürlich haben wir uns unterhalten.«
    »Und?«
    »Über nichts, das auch nur irgendwie von Bedeutung wäre!«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    Jimmys frustriertes Stöhnen war weit eindrucksvoller als der Gesang der Countrysängerin, die »Walkin' After Midnight« zum besten gab. »Das Wetter. Meine Mutter. Meinen Job. Hören Sie, was soll das Ganze?«
    Nun mischte Jury sich ein. »Manchmal hört man Dinge, denen man in dem Moment keine Bedeutung beimißt. Vielleicht hat sie auch über sich geredet, über Leute, die sie kannte, Reisen, die sie unternommen hat. Mehr meinen wir gar nicht, Jimmy.«
    Macalvie sagte: »Ich brauch was zu trinken.« Er stand auf.
    Jimmy schaute vom einen zum anderen und raffte sich wenigstens noch zu der ironischen Frage auf: »Und was soll das jetzt? Guter Bulle, böser Bulle?«
    »Nein. Böser Bulle, böser Bulle.« Macalvie nickte Jury zu. »Vorsichtig. Sonst fällt er Sie noch an.«
    Jimmy beobachtete, wie Macalvie wegging, und sah dann Jury an, als ob er nun auch vor ihm jegliche Achtung verlor. Wieder stellte er die Frage, die als einzige auf dieser Welt noch übrig zu sein schien: »Also hören Sie, was soll das alles? Stehe ich unter Verdacht oder was?«
    »Nein. Die Todesursache ist nur nicht ganz klar.« Um Macalvie nicht in den Rücken zu fallen, sprach Jury in sachlichem, wenn auch nicht bedrohlichem Ton.
    »Sie meinen, es lag nicht an ihrem Herzen?«
    Jury schaute zum Tresen hinüber, wo Macalvie in der dritten Reihe mit all den Gästen stand, die um die Aufmerksamkeit des einen Mädchens, das Bier zapfte, buhlten. Die Luft im Pelican war von den vielen Menschen mächtig aufgeheizt und roch durchdringend nach heißem Atem und warmem Bier. Aber Jimmy Landis war im Mantel. Macalvie auch. Wahrscheinlich schläft er auch darin, dachte Jury. Na ja, da hatten die beiden was gemeinsam.
    Er beantwortete Jimmys Frage: »Doch, vermutlich schon. Aber ein Herzinfarkt kann verschiedene Ursachen haben. Kennen Sie Nell Hawes so gut, daß ihr Tod Sie berührte?«
    »Wenn Sie meinen, ob es mir leid tat - ja, es tat mir leid.« Er riß weiterhin Etikettenfetzchen von der leeren Flasche ab. »Nell war nett.« Rasch schaute er auf und wieder hinunter. »Redete aber viel, wenn der Tag lang war.«
    »Wirklich? Ihre - alle anderen haben gesagt, sie sei ziemlich still gewesen. Zurückhaltend.« Er wollte Jimmys Mutter nicht erwähnen.
    »Ja, gut. Aber mit mir hat sie aus irgendeinem Grunde geredet. Wenn ich sie zu Sainsbury's oder so fuhr. Den Chauffeur mimte. Sie wissen schon. Es war anonym.« Zum erstenmal lächelte er.
    Jury erwiderte das Lächeln und sagte nichts.
    Jimmy zuckte die Achseln, als gebe er nicht viel auf seinen eigenen Scharfblick. »Vielleicht lag es aber auch gar nicht daran. Wissen Sie, Nell hatte keine Kinder.«
    Obwohl Jury mitnichten gemeint hatte, daß es dem Jungen an Menschenkenntnis mangelte, war er von dieser Bemerkung doch ein wenig überrascht. Auch von Jimmys implizitem Eingeständnis, daß er für Nell Hawes eine Rolle gespielt hatte, die er für seine eigene Mutter nicht zu spielen vermochte. Wenn Jury Macalvie gewesen wäre, hätte er ihn nun natürlich sofort nach den Fahrten und dem, was Nell Hawes erzählt hatte, gefragt. Aber er war

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