Blinder Hunger: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
so sauber und ordentlich, da wäre selbst meine Stiefmutter zufrieden gewesen. Tja, abgesehen von der toten Frau auf dem Teppichboden und der Blutspur, die zum Schlafzimmer führte. Davon abgesehen wirkte die Wohnung frisch geputzt.
Inzwischen weiß ich, dass Morde auch in der besten Gegend passieren. Gehobene Einkommen, gepflegte Gärten oder gute Manieren sind keine Barrieren für Gewalt. Das weiß ich, weil ich auch in solchen Häusern schon Mordopfer begutachtet habe. Jeder möchte gern glauben, dass Gewaltverbrechen nur in schrecklichen Gegenden vorkommen, wo sich selbst die Ratten nicht hintrauen, aber das ist nicht wahr. Ich hatte geglaubt, was Morde und Mörder betraf, keinerlei Illusionen mehr zu haben, aber da lag ich falsch. Denn das Erste, was ich dachte, als ich diese geleckte, schön eingerichtete Wohnung und die tote Frau auf dem Teppich sah, war: Die hätte in Jack Benchelys Wohnung besser gepasst. Man hätte sie glatt in dem Müll auf seinem Sofatisch verstecken können.
Die Tote lag so dicht an der Wohnungstür, dass Arnet und Abrahams den Arm wegschieben mussten, um sich durch den Türspalt zu quetschen. Abrahams war gerade vom Sittendezernat herübergewechselt. Ich musterte ihn, wie er in der glänzend sauberen Küche stand. Er war groß und dünn, hatte dunkle Haare und einen olivbraunen Teint. Braun schien seine Lieblingsfarbe zu sein, denn ich hatte ihn noch nie etwas anderes tragen sehen. Er sprach mit Zerbrowski, der sich Notizen machte.
Ich hatte bisher nicht so viel erfahren, dass ich mir Notizen machen musste. Vielleicht weil die Leiche direkt vor unseren Füßen lag. Vor Arnets und meinen. Leichen können echte Gesprächskiller sein. Die Tote lag auf dem Bauch, die Beine waren leicht gespreizt, eine Hand war zur Tür ausgestreckt, der andere Arm war von Arnet beim Hereinkommen zum Körper hin verschoben worden.
Arnet stand neben mir und starrte auf die Leiche. Sie sah ein bisschen blass aus, vielleicht weil sie nicht geschminkt war, aber das hielt ich eigentlich nicht für die Ursache. Tatsächlich trug sie sogar ein bisschen Lidstrich und hellen Lippenstift. Ihre Augen waren zu groß und ihr Gesicht zu blass. Es war keine Blässe aufgrund des Kontrasts zu ihren kurzen dunklen Haaren, sondern eine Blässe, bei der ich ihr unwillkürlich an den Ellbogen greifen wollte, falls sie gleich ohnmächtig würde.
Ich wollte sie fragen, ob es ihr gut ging, aber einen Polizisten fragt man das nicht. Darum versuchte ich, sie durch Reden abzulenken. »Wie haben Sie die Tote entdeckt?«
Sie zuckte zusammen und wandte mir ihr erschrockenes Gesicht zu. Es nahm sie wirklich mit.
»Wollen wir nach draußen gehen und frische Luft schnappen?«, fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf und ich beließ es dabei. Ich wusste, wann ich einen Sturkopf vor mir hatte.
»Ich habe das Blut unter der Tür gesehen.«
»Und dann?«
»Ich habe Verstärkung gerufen, und wir haben die Tür eingetreten.«
»Sie und Abrahams«, sagte ich.
Sie nickte.
»Die Tür stieß gegen ihren Arm, aber das wussten wir erst, als wir sie weit aufgedrückt hatten, um hineinsehen zu können. Ich war in der Hocke und habe sie als Erste gesehen. Ich habe gesehen, dass sie das Hindernis an der Tür war.« Am Ende war ihre Stimme ein bisschen wackelig.
»Lassen Sie uns zur Küche rübergehen, okay?«
»Nicht nötig«, sagte sie plötzlich ärgerlich. »Wieso glauben Sie immer, dass Sie die einzige Frau sind, die mit so etwas zurechtkommt?«
Ich zog die Brauen hoch und zählte still bis fünf. Ich war nicht sauer, ich wusste nur nicht, was ich sagen sollte. Schließlich versuchte ich es mit Tatsachen. »Nicht ich bin es, die so blass ist, als würde sie gleich umkippen.«
»Ich werde nicht umkippen«, zischte sie. Wütendes Flüstern klingt immer so böse.
»Na schön, dann bleiben wir hier.«
»Schön.«
Ich zuckte die Achseln und war seltsamerweise gar nicht verärgert. »Gut. Sie haben festgestellt, dass die Frau tot ist, und dann?«
»Wissen Sie, ich brauche Ihnen gar nichts zu sagen. Sie sind nicht meine Vorgesetzte.«
Jetzt reichte es. »Hören Sie, Arnet, wenn Sie eine persönliche Abneigung gegen mich haben, meinetwegen, aber nicht auf ihre Kosten.« Ich zeigte auf die Leiche.
»Was heißt hier auf ihre Kosten? Sie ist tot.«
»Ja genau, und unser Streit geht auf ihre Kosten, denn wir wollen ihren Mörder fangen, das ist jetzt wichtiger als alles andere. Sie mauern und benehmen sich wie ein Neuling, der dem Mörder
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