Blinder Hunger: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
Benchely. »Ich muss eine Frau mit Charme dazu bringen, mir von ihrem Blut was abzugeben.« Er sagte das Wort Charme, als wäre es ein Fluch. »Ich weiß, der Alkohol hat mein Leben ruiniert, aber ich bin wesentlich charmanter, wenn ich ein paar Gläser getrunken habe.«
»Das trifft meistens nicht zu«, sagte ich.
Er sah mich an. »Was?«
»Viele Betrunkene halten sich für charmant, aber das sind sie nicht. Glauben Sie mir, ich war auf vielen Partys stocknüchtern. An einem Betrunkenen ist gar nichts charmant, außer vielleicht für einen anderen Betrunkenen.«
Er schüttelte den Kopf. »Kann sein. Ich weiß jedenfalls, dass ich auf die Blutspender der Kirche beschränkt bin. Die machen das Blutsaugen so zahm wie möglich. Eigentlich soll es besser sein als Sex, aber man fühlt sich wie bei einer dieser Armenküchen, wo man sein Essen nur bekommt, wenn man der Predigt zugehört hat. Da schmeckt einem das ganze Essen schal.« Er nahm wieder sein Feuerzeug und drehte es immer schneller zwischen den Fingern, dass die goldene Hülle im Licht funkelte. »Nichts schmeckt gut, wenn man seinen Stolz mit runterschlucken muss.«
»Sie meinen, dass Moffat, ein Diakon der Kirche, falsch dargestellt hat, wie das Leben als Vampir für Sie sein wird?« Ich schlug einen möglichst beiläufigen Ton an.
»Nicht direkt falsch dargestellt. Er ließ mich eher in dem Glauben, dass stimmt, was in den Büchern und Filmen behauptet wird, und wenn ich darüber redete, hat er mir nicht widersprochen. Aber es ist anders, ganz anders.«
Stammte man von Belle Mortes Linie ab, standen die Leute bei einem Schlange, um Blut zu spenden. Stammte man von einer Blutlinie ab, die anderes als Schönheit und Verführungskraft vererbte, dann war man in einem Land, wo der Einsatz von Vampirtricks verboten war, ziemlich gelackmeiert. Von den Vampiren, die ich gut kannte, stammte nur einer nicht von Belle ab: Willie McCoy. Ich hatte mich nie gefragt, wie er mit seinen hässlichen Anzügen, den noch hässlicheren Krawatten und den zurückgegelten Haaren regelmäßig an sein Blut kam. Hätte ich vielleicht mal tun sollen.
Die Kirche des Ewigen Lebens versprach nicht viel mehr als die meisten Kirchen. Bei den Lutheranern konnte man eintreten, und wenn es einem nicht gefiel, auch wieder austreten. Wer bei der Kirche des Ewigen Lebens Vollmitglied wurde, konnte das bei allem Bedauern nicht mehr rückgängig machen.
Zerbrowski brachte uns zum Wesentlichen zurück. »Sie haben niemanden auf dem Parkplatz gesehen, der bestätigen könnte, wann Sie den Club verlassen haben?«
Benchely schüttelte den Kopf.
»Haben Sie etwas gerochen?«
Die farblosen Augen blickten zu mir hoch. »Wie bitte?«
»Sie haben niemanden gesehen. Aber Ihre Wahrnehmung beschränkt sich nicht aufs Sehen.«
Er runzelte verständnislos die Stirn.
Ich bückte mich, um ihn auf Augenhöhe anzublicken. Ich hätte mich hingekniet, wollte aber außer den Schuhen nicht mit dem Teppich in Kontakt kommen. »Sie sind Vampir, Benchely, ein Blutsauger, ein Raubtier. Wären Sie ein Mensch, würde ich Sie nur fragen, was Sie gesehen und gehört haben. Aber Sie sind keiner. Was haben Sie also gerochen? Was haben Sie gespürt?«
Er war völlig perplex. »Gerochen? Gespürt? Wie meinen Sie das?«
Ich schüttelte den Kopf. »Was haben die getan? Sie zum Vampir gemacht und Ihnen nicht erklärt, was Sie sind?«
»Wir sind die ewigen Kinder Gottes«, sagte er.
»Quatsch! Bockmist! Sie wissen offenbar gar nicht, was Sie sind oder was Sie sein könnten.« Ich hätte ihn am liebsten geschüttelt. Er war seit fünf Jahren tot. Ich glaubte nicht, dass er an den Morden beteiligt gewesen war, aber er war etwa zur Tatzeit über diesen Parkplatz gegangen. Wäre er nicht so ein jämmerliches Exemplar von einem Untoten, hätte er uns möglicherweise den entscheidenden Hinweis zur Ergreifung der Täter geben können.
»Ich verstehe nicht«, sagte er, und ich glaube es ihm.
»Ich muss an die frische Luft«, sagte ich kopfschüttelnd und überließ Zerbrowski die Verabschiedung. »Danke für Ihre Hilfe, Mr Benchely, und wenn Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie uns an.« Ich stand auf dem Außengang und atmete tief die kalte Abendluft ein, als Zerbrowski herauskam.
»Was sollte das denn?«, fragte er. »Sie entscheiden, wann die Befragung eines Verdächtigen zu Ende ist?«
»Er hat es nicht getan, Zerbrowski. Diese Jammergestalt ist dazu gar nicht imstande.«
»Anita, überlegen Sie mal, was Sie da sagen.
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