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Blink! - die Macht des Moments

Titel: Blink! - die Macht des Moments Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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ein schwarzes Gesicht sahen,
     dann erkannten sie die Pistole immer noch schneller als Pistole, als nach einem weißen Gesicht. Doch nun waren sie auch schneller
     bei der Hand, die Rohrzange als Pistole zu interpretieren. Unter Zeitdruck verhielten sie sich ähnlich wie hochgradig erregte
     Menschen. Sie verließen sich nicht mehr auf das, was sie |227| mit eigenen Augen sahen, sondern griffen auf ein starres System zurück, nämlich auf Stereotype.
    »Wenn wir binnen Bruchteilen von Sekunden eine Entscheidung fällen müssen«, erklärt Payne, »dann laufen wir große Gefahr,
     uns von Stereotypen und Vorurteilen leiten zu lassen, selbst wenn wir uns sonst nicht davon beeinflussen lassen oder diese
     sogar bewusst ablehnen.« Payne hat verschiedene Methoden ausprobiert, um dieses Verhalten zu verändern. Um seine Testpersonen
     zu motivieren, sich von ihrer besten Seite zu zeigen, kündigte er vorher an, das Experiment würde gefilmt und später von Mitstudenten
     ausgewertet. Das vergrößerte die Vorurteile nur. Einigen seiner Versuchspersonen erklärte er vorher genau, worum es in dem
     Experiment ging, und forderte sie auf, rassistische Vorurteile zu vermeiden. Auch dies änderte nichts am Ergebnis. Es änderte
     sich erst, als Payne das Experiment verlangsamte und die Studenten zwang, einen kurzen Moment zu warten, ehe sie den Gegenstand
     identifizierten. Wir haben phänomenale Fähigkeiten, eine Situation in dünne Scheibchen zu schneiden und Spontanurteile zu
     fällen. Doch selbst der gigantische Computer unseres Unbewussten benötigt eine gewisse Zeit. Die Kunstexperten, die den Getty-Kouros
     beurteilen sollten, mussten die Statue zuerst
sehen,
bevor sie sagen konnten, ob es sich um eine Fälschung handelte oder nicht. Wären sie mit 60 Stundenkilometern an ihm vorübergefahren
     und hätten ihn aus dem Autofenster heraus beurteilen sollen, dann hätten sie bestenfalls raten können.
    Aus diesem Grund sind in den letzten Jahren viele Polizeibezirke dazu übergegangen, ihre Einsatzfahrzeuge nur noch mit einem
     Streifenbeamten und nicht mehr mit zweien zu besetzen. Das klingt vielleicht zunächst so, als wäre das ein Nachteil. Man sollte
     doch meinen, dass vier Augen mehr sehen als zwei und dass sich die beiden gegenseitig unterstützen und schwierige Situationen
     besser bewältigen können. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Ein Beamter ist keineswegs besser geschützt, wenn er mit einem |228| Partner auf Streife geht, als wenn er allein ist. Außerdem ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass eine Doppelstreife sich
     eine Beschwerde einhandelt als ein einzelner Beamter. Eine Begegnung zwischen zwei Polizisten und einem Bürger endet mit größerer
     Wahrscheinlichkeit in einer Verhaftung, einer Körperverletzung oder einer Dienstaufsichtsbeschwerde. Der Grund dafür ist einfach:
Ein einzelner Polizeibeamter wird immer versuchen, eine
Situation zu verlangsamen, aber wenn Polizeibeamte zu zweit
unterwegs sind, beschleunigen sie die Dinge.
»Alle Polizisten wollen lieber eine Doppelstreife«, erläutert de Becker. »Dann haben sie immer einen Kumpel, jemanden, mit
     dem sie reden können. Aber eine Einzelstreife gerät viel seltener in brenzlige Situationen, denn wenn Sie sie allein losschicken,
     spielen sie nicht so schnell den Helden. Ein einzelner Beamter geht ganz anders an eine Situation heran. Er hat wenig Interesse
     daran, jemandem aufzulauern, er stürmt nicht vorwärts. Er sagt sich: ›Ich warte, bis Verstärkung kommt.‹ Er handelt zuvorkommender
     und lässt sich mehr Zeit.«
    Wäre Russ, der junge Mann aus Chicago, auch erschossen worden, wenn er es mit einem einzelnen Streifenpolizisten zu tun gehabt
     hätte? Schwer vorstellbar. Ein einzelner Beamter – selbst einer, der gerade eine Verfolgungsjagd hinter sich hat – würde vermutlich
     auf Verstärkung warten. Es war das Gefühl der zahlenmäßigen Überlegenheit, das die drei Beamten aussteigen und zum Angriff
     übergehen ließ. »Sie müssen die Situation verlangsamen«, erklärt Fyfe. »In unseren Schulungen bringen wir den Beamten bei,
     dass sie die Zeit immer auf ihrer Seite haben. Im Fall von Russ behaupteten die Anwälte der Polizeibeamten, die Situation
     habe sich überstürzt entwickelt. Die Dinge überstürzten sich aber nur, weil die Beamten es dazu kommen ließen. Sie hatten
     Russ schon angehalten. Er konnte nicht mehr weg.«
    In guten Polizeischulungen lernt der angehende Beamte, vorausschauend zu handeln,

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