Blitze des Bösen
demselben Mistkerl ermordet
worden sind. Bis jetzt ist alles nur reine Spekulation.«
»Aber von jetzt an fällt es uns leichter, das zu überprüfen«,
bemerkte Blakemoor. »Wir haben verdammt viele gute Fingerabdrücke auf dem Messer von Cottrell gefunden, außerdem
noch Handabdrücke aus Davis’ Küche. Wenn die alle zu
Kraven passen, haben wir einen Volltreffer gelandet.« Blakemoor schüttelte angewidert den Kopf. »Eine wahnsinnige Welt.
Ein Schwein glaubt, daß ein anderes Schwein jemanden
umgebracht hat und schlachtet es dann dafür ab.«
»Es sei denn, er hat ihn gar nicht abgeschlachtet«, meinte
Lois besorgt und betrachtete das Papier. »Irgendwas ganz
Abartiges geht hier vor, Mark. Was soll dieses ‚Ich hasse
Nachahmen’ bedeuten? Selbst wenn es sich herausstellen sollte, daß Rory Kraven die Davis und die Cottrell getötet hat, was
hat dieser neue Mörder mit Kraven zu tun? Anders ausgedrückt: Hier haben wir es mit einem neuen Täter zu tun, der
genauso mit Kraven umspringt wie der es anscheinend mit
Davis und Cottrell getan hat. Wer also ist der Nachahmer?
Rory Kraven oder dieser Kerl?« Sie wollte wieder in die
Wohnung zurückgehen, hielt aber inne, weil Schritte die
Treppe hinaufstürmten. Sie drehte sich um und sah Anne
Jeffers mit einem Fotografen im Schlepptau. Sie hielt erst an,
als sie die beiden Polizisten erkannte.
»O Gott, ich hatte recht«, sagte Anne kreidebleich. »Gleich
nachdem ich die Meldung hörte, habe ich gedacht…« Sie verstummte und versuchte, ihre Angst hinter der Sachlichkeit der
Reporterin zu verbergen. Aber es gelang ihr nicht. »Noch
jemand, stimmt’s?« flüsterte sie. »Genau dasselbe wie bei
Davis und Cottrell?«
Mark Blakemoor und Lois Ackerly sahen sich an, wortlos
einig darüber, daß zumindest in diesem besonderen Fall Anne
Jeffers mehr war als nur eine gewöhnliche Reporterin.
»Es ist Rory Kraven«, klärte Mark sie auf. »Richards jüngerer Bruder.«
Rory Kraven? dachte Anne. Aber das war doch verrückt. Er
war nichts als… Doch dann erinnerte sie sich plötzlich ganz
klar genau daran, wo sie gewesen war, als sie nach dem Besuch
bei Glen das Krankenhaus verlassen und gespürt hatte, daß sie
jemand beobachtete. Ihr Blick wanderte von Mark zur offenen
Tür von Rory Kravens Wohnung. Durch das Fenster konnte sie
das Gebäude des Krankenhauses gegenüber erkennen.
»Er hat mich an einem Abend mal beobachtet«, sagte sie so
leise, daß die Polizisten nicht sicher waren, ob sie zu ihnen
oder mit sich selbst sprach. »Ich hatte Glen in der Klinik
besucht und war auf dem Heimweg. Ich fühlte, daß mich
jemand beobachtete. Das muß er gewesen sein.« Sie schwieg
einen Moment und sagte dann zu den Kommissaren: »Was ist
passiert?«
Wortlos reichte Blakemoor ihr die Botschaft.
Sie las sie und sah Blakemoor an. »Ist er tot? Ist Rory Kraven tot?«
Der Kommissar nickte. »Er liegt in der Badewanne. Nackt,
genau wie die Cottrell.«
Anne fühlte sich plötzlich wie betäubt. Hatte Rory Kraven
etwa ihre Nachbarin ermordet? Aber Kraven war ein Nichts
gewesen, der Typ Mensch, der sich im Leben äußerst schwertat
und all seine Kräfte gebrauchte, um wenigstens einigermaßen
über die Runden zu kommen. Sie konnte sich noch erinnern,
wie sie ihn vor Jahren interviewt hatte, als der Verdacht zum
ersten Mal auf seinen Bruder gefallen war. Rory hatte nicht
über Richard reden wollen. Er hatte nur erwähnt, daß sie nicht
besonders gut miteinander auskämen, wenig Kontakt besäßen
und sich nicht sehr ähnlich seien.
Was ganz bestimmt die Wahrheit gewesen war. Richard
Kravens Gesichtszüge waren markant gewesen, er hatte gut
ausgesehen. Rorys Gesicht dagegen drückte Schwäche und
Erfolglosigkeit aus. Er hatte eine einfache Stellung bei Boeing,
wenn sie sich recht erinnerte, und er war ihr wie jemand vorgekommen, der niemals einen Tag in der Arbeit fehlte, kein
Problem für andere darstellte. Ein Mensch, bei dem man sich
darauf verlassen konnte, daß er seine Arbeit ordentlich, wenn
auch nicht herausragend erledigte. Aber der langweilige, lahme
Rory war auch der kleine Bruder von Richard Kraven gewesen
– von Richard, der zu glänzen verstand, der all das war, was
Rory gerne gewesen wäre.
Richard, der seit je der Augapfel seiner Mutter gewesen
war…
Und das, so wußte Anne, hatte sich auch nach Richards Tod
nicht geändert. Selbst nach der Verhandlung, den abgelehnten
Berufungen und der Hinrichtung hatte Edna Kraven
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