Blogging Queen - Profijt, J: Blogging Queen
ich ausschließlich aus einem praktischen Grund gewählt hatte, nämlich, um
nicht in die Sonne blinzeln zu müssen, kannte ich mich wieder aus. Ich war in Grafenberg. Von hier aus konnte ich die Straßenbahn
zu Sabines Wohnung nehmen. Zu Fuß zu laufen kam auf den hohen Schuhen und in meinem aktuellen Zustand, der von Kopfschmerzen
über Schwindel und Übelkeit alle Symptome eines erstklassigen Katers zeigte, nicht infrage. Außerdem musste ich mich beeilen,
um Sergeant Pepper sein Frühstück zu geben und mit ihm Gassi zu gehen. Hoffentlich hatte er sein Geschäft noch nicht im Wohnzimmer
erledigt, dachte ich. Ich hatte keine Ahnung, wie lange ein Hund sich dieses Bedürfnis verkneifen konnte.
Ich schämte mich in Grund und Boden, während ich an diesem Mittwoch um neun Uhr morgens zur Straßenbahnhaltestelle eilte.
Sicherlich konnte mir jeder Mensch, der mir ordentlich geduscht, gekämmt und zurechtgemacht auf dem Weg zur Arbeit entgegenkam,
ansehen, dass ich die letzte Nacht nicht im eigenen Bett verbracht hatte. Meine Tunika war fleckig, die Haare ungekämmt und
das Make-up vom Vortag vermutlich verlaufen und verwischt, wobei mir einfiel, dass ich noch gar keinen Blick in den Spiegel
riskiert hatte. Ich konnte auch jetzt nicht den Mut dazu aufbringen. Mein Kopf dröhnte wie ein Triebwerk kurz vor dem Start,
und ich hatte einen absolut ekelerregenden Geschmack im Mund. Ich wollte lieber nicht wissen, woher der rührte. Seit Ewigkeiten
hatte ich mich nicht so mies gefühlt wie in diesem Moment.
Ich hatte Glück, begegnete im Treppenhaus weder Jake noch Jasmin, und Sergeant Pepper war auch ein lieber Hund gewesen. Er
erwartete mich sehnsüchtig, musste sich aber noch zehn Minuten gedulden, in denen ich den leicht grünlichen, sauren Mageninhalt
in Sabines Kloschüssel kotzte, mir das Gesicht wusch, die Haare kämmte und die Kleidung wechselte. Als ich die Leinentunika
in den Müll warf, kamen mir die Tränen. Dann gingen wir zum Rhein.
Auf dem Rückweg kam ich an Moritz’ Kneipe vorbei, die Tür wurde gerade von innen geöffnet. Ich sah einen Arm, der den Keil
unter die Tür schob, dann trug Moritz den Aufsteller mit dem heutigen Tagesgericht auf den Bürgersteig. Er erkannte mich,
betrachtete mich von oben bis unten und machte eine einladende Bewegung. Ich trottete hinter ihm in die leere Kneipe und kletterte
mühsam auf einen Barhocker.
»Hast du zu viel getrunken gestern Abend?«, fragte er. Ich nickte, dann hielt ich sicherheitshalber mit beiden Händen den
Kopf fest, der mir von den Schultern herunterzukreiseln drohte.
»Was?«
»Papageienblut und Diebesgut«, murmelte ich.
»Cocktails?«
»Sehr bunt.«
»Nicht die Farbe ist das Problem, sondern das, was man nicht sieht.«
Er machte sich an der Espressomaschine und einigen Flaschen zu schaffen und stellte mir einen Kaffee und ein großes Glas mit
einer sämigen, knallroten Flüssigkeit hin.
»Trink.«
Ich trank. Der Espresso war schrecklich süß, und das roteZeug bestand überwiegend aus Tomatensaft, schmeckte aber außerdem sauer und bitter und scharf.
»Hast du Sorgen, oder warum hast du so viel getrunken?«, fragte Moritz.
Warum kam er nicht auf die Idee, dass ich einfach Spaß gehabt hatte? »Nein. Jake wollte mir beibringen, wie man locker wird,
und dann haben wir getanzt.«
»Wer ist Jake?«
»Der Lover meiner Freundin.«
»Oh, oh.«
»Nein, nein, es war nicht so, wie sich das jetzt anhörte. Es war – anders. Er hat mir nur den Groove beigebracht, wie er
es nennt, und getanzt habe ich dann mit Thomas.«
»Wer ist Thomas?«
»Keine Ahnung. Aber ich bin heute Morgen neben ihm aufgewacht.«
Moritz’ Bart zuckte. »Gut.«
»Gut findest du das?«, fragte ich fassungslos. »Ich kenne den Typen gar nicht, ich mag ihn nicht mal besonders, er sieht,
na ja, okay, er sieht nicht schlecht aus, trug eine Armani-Jeans, und er tanzt göttlich, aber …«
»Und wie lange hattest du keinen Sex mehr gehabt?«
»Warum wollen das eigentlich alle Leute von mir wissen, verdammt noch mal?«, knurrte ich.
Moritz zuckte die Schultern.
»Ich habe mich blamiert bis auf die Knochen«, sagte ich und heulte plötzlich los. »Ich war total overdressed, dann landete
das halbe Menü auf meinen Klamotten, und dann«, ich schniefte, »dann wachte ich neben einem praktisch fremden Mann im Bett
auf.«
»Was ist daran so schlimm?«
Ich starrte in die leere Espressotasse, während ich
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