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Blonde Engel sind gefährlich

Blonde Engel sind gefährlich

Titel: Blonde Engel sind gefährlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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den .38er Revolver. Sie holte tief Atem. Die Pose der
zum Äußersten entschlossenen Heldin war sehr wirkungsvoll. Dann aber bekam
meine vermeintliche Menschenkenntnis wieder mal einen empfindlichen Dämpfer.
Sie tat das, was ich am wenigsten erwartet hatte: Sie riß die Tür auf und
marschierte geradewegs hinein. Zu irgendwelchen Protesten blieb keine Zeit mehr.
Ich hatte so dicht hinter ihr gestanden, daß ich das Gleichgewicht verlor und
wir beide zu Boden purzelten. Das gedämpfte Geräusch, das dem Knallen eines
Sektkorkens so vertrackt ähnlich ist, war nicht zu lokalisieren. Ich sortierte
eilig meine Gliedmaßen und robbte durch den verdunkelten Raum, bis mir ein
hartes Tischbein auf schmerzhafte Weise Einhalt gebot.
    Der Revolver mit Schalldämpfer
ließ sich ein zweites Mal vernehmen, und dicht neben mir splitterte Holz. Aber
es mußte wohl doch der Tisch gewesen sein — sonst hätte mir zumindest der
Schädel gebrummt.
    Aus irgendeiner Ecke tönte
Dawns hysterisches Schluchzen. So leid es mir tat — im
Augenblick mußte ich sie ihrem Schicksal überlassen. Der unsichtbare Schütze
ging vor. Der schußbereite .38er wäre wesentlich
nützlicher gewesen, wenn man auch nur die Hand vor Augen hätte erkennen können.
Wer weiß, der Kerl betrachtete mich vielleicht durch eine Brille mit infraroten
Gläsern und wartete nur auf eine günstige Gelegenheit, mich abzuknallen. Bei
diesem Gedanken fing meine Gänsehaut förmlich an zu schnattern.
    Zwei Minuten lang geschah
nichts — und das war schwerer zu ertragen als der größte Trubel. Mein Rotschopf
wimmerte nur noch leise vor sich hin — gerade laut genug, um alle anderen
Geräusche im Raum auszuschalten. Ich richtete mich vorsichtig auf, tastete nach
der polierten Tischfläche und schob meine linke Hand langsam darauf entlang.
Meine Finger stießen gegen den Sockel einer Tischlampe. Daneben ertastete ich
einen erfreulich schweren runden Gegenstand — einen Briefbeschwerer aus Onyx.
    Bei ruhiger Überlegung hätte
ich mir sagen müssen, daß das, was ich vorhatte, Wahnsinn war. Aber überleg mal
einer ruhig, wenn es aus der Dunkelheit knallt. Ich nahm den Briefbeschwerer
von der linken in die rechte Hand — dabei mußte ich mächtig aufpassen, daß mir
der Revolver nicht wegrutschte — und warf den schweren Brocken aufs Geratewohl
in die gähnende Finsternis um mich her. Gleich darauf gab es ein
ohrenbetäubendes Klirren. Volltreffer! Ich schloß die Augen, knipste die Lampe
an und blinzelte vorsichtig.
    Nach langen Minuten völliger
Dunkelheit traf mich die plötzliche Helle wie ein Schlag. Immerhin hatte ich
mich — ganz im Gegensatz zu meinem Gegner — schon seelisch darauf vorbereiten
können. Meine einzige Chance bestand darin, den Kerl auszumachen, bevor er mich
entdeckt hatte.
    Der Tisch mit der Lampe stand
an einer Wand des Wohnzimmers. Direkt vor mir führte eine Bogenöffnung ins
Eßzimmer. Ich sah selbst unwichtige Einzelheiten: Die Vase, die mein
Briefbeschwerergeschoß zertrümmert hatte, die feuchte Stelle über der
Küchentür, wo der Putz abgeblättert war — Nur den Burschen mit dem Schießeisen
sah ich nicht.
    Langsam bekam ich es mit der
Angst zu tun. Der Kerl mußte eine Tarnkappe haben! In diesem Augenblick
bemerkte ich in der Fensterecke des Eßzimmers , hinter
einem dicken Klubsessel, eine leichte Bewegung. Dort also stand mein
Ein-Mann-Empfangskomitee. Als das unerwartete Licht ihn geblendet hatte, war er
ganz gemütlich hinter der Sessellehne in Deckung gegangen. Jetzt aber riskierte
er einen Blick, um die Lage zu peilen.
    Mit einer Hand rieb er sich
noch immer die Augen. Sein Gesicht konnte ich daher nicht deutlich erkennen. Um so deutlicher aber erschien jetzt sein Revolver mit dem
aufgesetzten Schalldämpfer in meinem Gesichtsfeld. Gewaltsam raffle ich mich
aus meiner Erstarrung auf.
    Das Hämmern des .38er hallte
noch von den Wänden wider, als ich schon längst aufgehört hatte zu schießen.
Zwei Kugeln trafen ihn in die Brust. Seine Arme ruderten sekundenlang hilflos in
der Luft herum, dann sackte er langsam in die Knie. Eine dritte Kugel bohrte
ihm ein Loch in die Stirn, bevor er ganz hinter dem wuchtigen Polstermöbel
verschwunden war. Eine vierte Kugel jagte ich durch die Sessellehne. Bei
Kunstschützen dieses Kalibers kann man nicht vorsichtig genug sein.
    Die Stille, die nach dieser
wilden Schießerei eintrat, schmerzte fast körperlich. Ich schüttelte mich ein
wenig und ging mit weichen Knien ins Eßzimmer hinüber.

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