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Blood Lily Chronicles 02 - Zerrissen

Blood Lily Chronicles 02 - Zerrissen

Titel: Blood Lily Chronicles 02 - Zerrissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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wuchsen.
    Dazu hatte ich jedoch keine Zeit. Ich musste ins Pub. Ich musste Alice spielen und die Teile ihres Lebens richtig zusammensetzen, das ich angenommen hatte, als ich in ihre Haut geschlüpft war.
    Im Bloody Tongue herrschte Trübsinn, als ich eintraf. Egans Tod lastete auf dem Pub. Die Dämonen waren frustriert, dass ihre Quelle für unschuldige Mädchen trockengelegt worden war, und die menschliche Stammkundschaft kam bloß, um einer Familie das Beileid auszusprechen, die ihr Oberhaupt verloren hatte.
    Ich bemühte mich, Bestürzung über Egans Tod zu zeigen, doch obwohl ich meine Rolle allmählich ganz gut beherrschte, war ich nicht überzeugt, dass mir das gelang.
    Rachel stand hinter dem Tresen und winkte mir. Also ging ich in ihre Richtung, vorbei an einer Nische, in der zwei dicke glatzköpfige Männer ein Guinness tranken.
    »Ist sie das?«, fragte Dickwanst.
    »Das ist sie«, antwortete Fettsack.
    Ich wollte mich schon umdrehen und sie höflichst bitten, mal kurz mit nach draußen zu kommen. Doch bevor ich meine Einladung anbringen konnte, rief mir Rachel zu, ich solle meinen Hintern zu ihr rüberschieben, und zwar ein bisschen plötzlich.
    »Wurde auch langsam Zeit«, knurrte sie, als ich endlich bei ihr war. »Wir müssen uns unterhalten.«
    Sie gab Trish ein Zeichen, ihren Platz einzunehmen. Gracie war ebenfalls da und lächelte mich aufmunternd an, als ich Alice’ großer Schwester nach hinten und dann die Treppe runter in den kleinen Lagerraum folgte, wo man sich zumindest einigermaßen ungestört fühlen konnte.
    »Wir verkaufen das Pub«, eröffnete sie mir übergangslos, kaum dass ich die Tür hinter mir geschlossen hatte.
    »Was? Nein.« Ich wusste nicht, was die Zukunft bringen würde, aber das Pub zog Dämonen magnetisch an, und deshalb wollte ich weiterhin die Hand draufhaben. Ich besaß nicht Kieras Geruchssinn für dämonische Ausdünstungen, aber wenn sie sich hier versammelten und unter Menschen mischten, konnte ich sie aussieben. Und dann, dachte ich, kann ich sie töten. Konnte eine hübsche kleine Portion Kraft tanken und einen weiteren Dämon von der Erdoberfläche fegen.
    Ach ja, der Gedanke, diesen dunklen Schleier über mich fallen zu lassen, hatte seinen ganz eignen Reiz.
    Nicht zu vergessen den doppelten Nutzen.
    Aber nicht, wenn Rachel das Pub verkaufen wollte.
    »Das kannst du nicht!«, widersprach ich Alice’ Schwester. »Es gehört uns beiden! Wir müssen beide einverstanden sein, und ich bin dagegen.«
    Sie runzelte die Stirn. »Das Pub wird per gerichtlicher Verfügung verkauft, der Erlös geteilt. Ich war deswegen schon bei einem Anwalt, Alice. Finde dich damit ab!«
    »Aber warum?« Meine Stimme klang brüchig. »Warum lebst du nicht einfach dein Leben weiter und überlässt mir das Pub? Was tust du hier eigentlich?« Rachel hatte nie im Pub gearbeitet. Und überhaupt: Ich hatte sie erst ein Mal getroffen, und zwar als sie in Alice’ Wohnung geplatzt war und mich gebeten hatte, auf ihre Hunde aufzupassen. Danach war sie aus irgendwelchen beruflichen Gründen nach London abgeschwirrt. »Du führst dein Leben«, setzte ich nach. »Lass mir meins.«
    Sie holte tief Luft. »Ich habe es aufgegeben.«
    »Was?« Ich hatte keine Ahnung, wovon sie sprach.
    »Mein Schmuckgeschäft. Ich habe alles einer gemeinnützigen Organisation überschrieben.«
    »Du hast was?« Das passte doch hinten und vorne nicht zusammen.
    »Du hast mich genau verstanden! Damit hätte ich gar nicht erst anfangen sollen.« Sie wandte sich ab und schlang sich die Arme um den Körper. »So viel hat mir der Mord an Onkel Egan klargemacht.«
    »Aber...«
    »Geh nach Harvard, Alice!«, fuhr sie mich plötzlich an. »Ruf an und sag, dass du im Januar anfängst. Mach Schluss mit diesem Leben hier! Tu wenigstens einmal, was Mom gewollt hat.« Und nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: »Ich werde es versuchen. Ich werde es ernsthaft versuchen.«
    Zwischen den Zeilen lief eine komplette zweite Unterhaltung ab, und ich war mir ziemlich sicher, das Wesentliche erfasst zu haben. Ziemlich sicher, aber eben nicht ganz. Und ich musste es genau wissen. Ich musste dringend wissen, ob Rachel den dunklen Künsten den Rücken zukehrte. Ich trat auf sie zu und hielt ihr die Hände hin. »Rachel.«
    Sie sah mir in die Augen. Mehr brauchte es nicht, und als sie mich diesmal an sich zog, riss ich mich nicht mehr los. Im Gegenteil, ich klammerte mich fest an sie, auch als ich sie schon keuchen hörte. Auch als ich ins Dunkel

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