Blood Lily Chronicles 02 - Zerrissen
nicht. Ich habe nachgeforscht, konnte es aber noch nicht ausfindig machen.«
Jetzt war es an mir, die Stirn zu runzeln. »Nicht gerade hilfreich.«
Er fuhr langsam mit den Fingern meinen Arm rauf und runter. »Wirklich schade, dass wir keine Karte zur Verfügung haben, die verlorene Dinge finden kann.«
Ich hob eine Braue. »Großartige Idee! Ich frage einfach Clarence nach der Beschwörungsformel, wie man ein Portal erschaffen kann.«
Er warf mir einen vielsagenden Blick zu. »Du brauchst nicht zu fragen.«
Unwillkürlich trat ich einen Schritt zurück. »Auf gar keinen Fall! Ich soll in seinen Kopf? Das kann ich nicht kontrollieren. Er würde es merken, wenn ich eindringe. Scheiße, Deacon! Ich müsste ihn töten!«
»Wenn du Rose so freibekommst, ist es das dann nicht wert? Und wenn du ihn tötest, bekommst du seine Essenz. Dann bist du der Beschwörer, Lily.«
Ich biss mir auf die Unterlippe, wog das Für und Wider ab. Und das Risiko. Denn so verlockend der Plan war - wenn ich mir nicht sicher war, dass er klappte, konnte ich das Leben meiner Schwester nicht aufs Spiel setzen.
Die Flecken der beiden Dämonen auf dem Fußboden schienen mich daran erinnern zu wollen, wie gefährlich die Welt war, in der ich lebte. Ich berührte sie mit der Zehenspitze, sah dann zu Deacon auf und wechselte das Thema. »Warum trachten sie mir nach dem Leben? All diese Dämonen. Wenn ihnen bekannt ist, dass ich den Oris Clef suche, sollten sie mich dann nicht eigentlich von der Seitenlinie aus anfeuern?«
»Hängt vom Dämon ab«, antwortete er beiläufig. »Das Portal ist offen - also kommt Armageddon. Und die meisten Dämonen sind mit dem Status quo ganz zufrieden. Sie wollen nicht, dass irgendein Dämon den Oris Clef in die Finger bekommt. Sie wollen keinen in ihren Reihen, der sich als König aufspielt.«
Ich nickte. Daran hatte ich bisher nicht gedacht.
»Andere wollen an die Macht. Sie versuchen nicht, dich zu töten, sondern dich gefangen zu nehmen.«
»Aber ohne Clarence’ Zauberformeln bin ich nutzlos.«
Deacon zuckte mit den Schultern. »Vielleicht wissen sie das nicht.«
»Zumindest erklärt das den Dämon mit dem tätowierten Gesicht. Den Kerl, dem wir in China über den Weg gelaufen sind«, fügte ich hinzu, als Deacon mich fragend ansah. »Dort bin ich ihm zum zweiten Mal begegnet, und ich bin immer noch am Leben.«
Deacon sah mich mit einem äußerst seltsamen Gesichtsausdruck an.
»Was ist?«
»Du weiß nicht, wer das ist?«
»Woher sollte ich?«, entgegnete ich völlig perplex. »Er hat sich ja nicht die Zeit genommen, sich vorzustellen.«
»Das war Gabriel, Lily. Der Erzengel.«
19
»Moment mal!« Allmählich hatte ich genug. »Ein Engel will mir an den Kragen? Ich kämpfe hier von früh bis spät für die gute Sache, und dann ist so ein irrer Engel auf meinen Tod aus? Was läuft da schief?«
»Tut mir leid, Lily«, sagte Deacon, nachdem ich einem der Barhocker einen solchen Tritt verpasst hatte, dass er quer durchs Pub segelte.
»Hatte Johnson recht?« Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Habe ich wirklich den Dämonen Treue geschworen?«
»Nein, hast du nicht.« Deacon legte einen Arm um mich. »Nicht mehr als ich.«
Ich drehte mich um und schaute ihn fragend an. Er war schließlich früher einmal ihr loyaler Gefolgsmann gewesen.
»Ich habe ihnen abgeschworen«, erklärte er barsch. »Ob du mir glaubst oder nicht, aber das ist die Wahrheit. Ich habe der dunklen Seite abgeschworen, und dennoch wurde ich vom Licht verstoßen.«
Ich glaubte ihm. Auf Gedeih und Verderb, ich vertraute Deacon. Als er mich so fest im Arm hielt, konnte ich mir das endlich eingestehen. Ich vertraute ihm tatsächlich. Trotzdem wollte ich immer noch gern in seinen Kopf. Ich wollte den Beweis, dass ich mein Vertrauen nicht erneut dem Falschen schenkte.
»Ich weiß ja, dass Engel nicht nur aus weißem Gewand, Heiligenschein und Harfe bestehen«, sagte ich, »aber mit Kriegstätowierungen hatte ich nun wahrlich nicht gerechnet.«
»Aber genau das ist er: ein Krieger.«
»Was will er dann von mir? Er hätte mich doch schon ein halbes Dutzend Mal erledigen können - so viel steht fest. Aber ich lebe immer noch. Und er taucht immer wieder auf. Was will er nur?«
Deacon schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung.«
»Ich meine, ich versuche doch, Gutes zu tun. Weiß Gott das nicht? Hat er es den Engeln nicht gesagt?«
Deacons Mundwinkel zuckten nach oben. »Weil im Himmel Kurzmitteilungen verschickt werden,
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