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Bloody Mary.

Bloody Mary.

Titel: Bloody Mary. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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großen Glas, aufgefüllt mit Gin. Und dieses Zeug hatte augenscheinlich den verfluchten Pimpole in den Ruin getrieben. Was war er doch damals für ein netter junger Mann gewesen, ein wenig flatterhaft, zugegeben, aber ihn umgab eine herrliche Unschuld, die seine Überheblichkeit gegenüber den Mitmenschen wieder aufwog. Heute war Pimpoles Charme verflogen, dachte der Dekan, nicht einmal der Kneipenwirt fand seine Anwesenheit angenehm. Aber wenn er tagtäglich solche Unmengen Gin trank, und dem Aussehen seiner Nase nach zu urteilen war das seit etlichen Jahrzehnten der Fall, hatte er auf diese Weise zahlreiche Ferienaufenthalte des Wirts in Benidorm finanziert oder wo auch immer solche Leute ihren Urlaub verbrachten. Nur Pimpoles Überheblichkeit war geblieben, und die hatte sich in gereizte Arroganz verwandelt. Der Dekan trank noch ein Schlückchen und merkte, daß Pimpole ihn ziemlich verächtlich betrachtete.
    »Na los, Dekan, alter Kumpel, trink aus wie ein Mann«, sagte er. »Wo ist denn der alte Porterhouse-Geist geblieben? Reich mir den Port und so weiter. Dürfen die anderen nicht warten lassen. Gehört sich nicht.«
    »Welche anderen?« wollte der Dekan wissen, der soeben noch einen widerlichen Schluck hinuntergespült hatte, und das auf leeren Magen.
    »Ich«, sagte Pimpole. »Der olle Jeremy Pimpole.« »Ach ja, natürlich«, sagte der Dekan und registrierte beunruhigt, daß Pimpoles Glas leer war. Nichts konnte ihn dazu bringen, sich einen halben Liter von dem Gesöff in den Hals zu kippen, als wäre es Wasser.
    Er änderte seine Taktik und probierte es mit Anbiederung. »Hören Sie, mein lieber Junge ...«, fing er an. »Bleiben Sie mir bloß mit Ihrem ›lieben Jungen‹ vom Leib«, fuhr ihn Pimpole an. »Ich bin gut und gerne meine zweiundfünfzig und hab keine weichen blonden Haare und rosigen Wangen mehr, die Sie immer so bewundert haben.« »Ach ja, wie wahr«, sagte der Dekan, womit er sich auf die weichen blonden Haare bezog und nicht auf den zweiten Teil des Satzes. »Das soll heißen ...«, wollte er sich korrigieren. »Erst nippen Sie an einer korrekt gemixten Hundeschnauze, wie eine beschissene Schwuchtel Tee schlürft, und jetzt fangen Sie auch noch an ...«
    »Nein, das tue ich ganz gewiß nicht«, widersprach der Dekan erzürnt. Noch nie zuvor hatte ihm jemand ins Gesicht gesagt, er sei eine beschissene Schwuchtel. »Damit bezog ich mich auf die unübersehbare Tatsache, daß Sie eine Glatze wie eine Billardkugel haben, und ich würde an Ihrer Stelle etwas gegen den fiesen Schorf da oben unternehmen, bevor er noch schlimmer wird, und darauf, daß Ihre ehemals, ich zitiere, rosigen Wangen eher aussehen wie eine Weltkarte aus der Zeit, als wir noch ein Empire hatten. Hauptsächlich rot, aber mit ekligen grünen und gelben Stellen, wo die Franzosen oder die Deutschen saßen. Schreiben Sie sich das gefälligst hinter die Ohren.«
    Einen Augenblick lang dachte der Dekan, Pimpole werde ihn schlagen. Doch statt dessen warf er den Kopf zurück und brüllte vor Lachen. »Punktsieg für Sie, Dekan, alter Drecksack«, grölte er. »Klingt schon viel besser.« Er drehte sich zu einigen Leuten weiter unten am Tresen um, die der Dekan für Bauern hielt. »Habt ihr das gehört, Jungs? Der elende alte Dekan sagt, mein Gesicht sieht aus wie eine beschissene Weltkarte aus der Zeit, als wir noch ein Empire hatten, und ...« Er drehte sich wieder zum Dekan um. »Was war das noch gleich mit den grünen und gelben Stellen?«
    »Egal, ist ja egal«, sagte der Dekan, der genausowenig vorhatte, sich mit einer Kneipe voller Farmarbeiter und Flittchen über Pimpoles Teint zu unterhalten, wie er den Rest dieser ekligen Hundeschnauze austrinken wollte. »Mir ist es aber nicht egal«, widersprach Pimpole, dessen Stimmungen binnen Sekunden umschlugen. Er hielt dem Dekan sein Gesicht vor die Nase. »Und was ist mit meinem Zinken? Wie sieht der aus?«
    »Wie ein Zinken«, antwortete der Dekan. »Ich finde, Sie haben diesen Begriff sehr schön gewählt. Zinken, Sir, Zinken.« Wieder bog Pimpole den Kopf nach hinten und brüllte vor Lachen. »So isses richtig, Dekan. Gib ihm Saures. So macht man es in Porterhouse. Mitten zwischen die Augen und kein Pardon. Und jetzt kippen Sie die Hundeschnauze runter, und wir genehmigen uns die nächste. Ich hab Durst.« Als der Dekan einen Blick in sein Glas warf, entdeckte er entsetzt, daß er versehentlich fast die Hälfte geleert hatte. Jetzt war Schluß, selbst wenn es ihm dieser

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