Blow Out (German Edition)
diesen Leuten? Sperrt man sie nur weg, oder lässt man sie auf andere Art und Weise verschwinden?«
»Ich fürchte, in Bezug auf Projekt Morgenröte geht hinter den Kulissen weit mehr ab, als wir uns vorstellen können.«
Sie erwiderte nichts, stand auf und trat ans Fenster. Durch zwei Häuser hindurch versank die Sonne glutrot hinter einer Ansammlung abgestorbener Bäume. Bis auf das gedämpfte Plätschern der Wellen lastete eine bedrückende Stille über dem Dorf.
Plötzlich stand Nick neben ihr. »An was denkst du?«
»Ich hätte dich und Ki niemals in diese Sache mit reinziehen dürfen.«
»Du hast mich nicht dazu gezwungen, mitzumachen.«
»Denkst du, Ki geht es gut?«
»Niemand hat einen Grund, ihr irgendetwas anzutun. Mach dir keine Sorgen.«
»Die mache ich mir aber.«
Er trat hinter sie und begann ihren Nacken sanft zu massieren. »Du solltest dich ein wenig entspannen. Im Moment können wir nichts tun, außer unsere grauen Zellen anzustrengen und zu versuchen, mehr Informationen zu sammeln.«
Sie schloss die Augen. »Das tut gut.«
»Um ehrlich zu sein«, sagte er, »finde ich es trotz allem irgendwie schön, gemeinsam mit dir hier zu sein.«
»Wenigstens einer von uns.« Es klang halbherzig. Sie spürte ihren Widerstand dahinschmelzen.
»Hast du je daran gedacht, dass uns das Schicksal wieder zusammengeführt und hierher gebracht haben könnte?«
»Ich glaube nicht an ein fremdbestimmtes Schicksal. Ich glaube an eine Zukunft, die jeder Mensch in seinem eigenen Sinne beeinflussen kann. Wir müssen nur unseren Überzeugungen folgen und danach handeln. Dann, Nick, bestimmen wir unsere Zukunft selbst und müssen auf kein unabänderliches Schicksal hoffen.«
»Du nennst es Bestimmung, ich Schicksal.« Er lächelte. »So weit sind wir doch gar nicht voneinander entfernt.«
Seine Hände wanderten von ihrem Nacken über ihre Schultern. Sie ließ es geschehen. Die Berührungen seiner warmen Hände taten gut. Ihre Anspannung löste sich ein klein wenig. Hatte sie Nick an jenem Abend im Troja vielleicht doch unrecht getan? Sie wollte ihm so gerne glauben. Sie hätte sich nur umdrehen und ihn küssen müssen. Es wäre so leicht gewesen. Und gleichzeitig so schwer.
53
Donovan stand vor dem Waschbecken der Toilette und betrachtete sein Spiegelbild. Eine Rasur war überfällig, und da sich momentan nicht viel tat, entschied er, dass dies ein geeigneter Moment dazu war. Als er das altmodische Rasiermesser mit dem ziselierten Elfenbeingriff in die Hand nahm, kam ihm sein Vater in den Sinn. Wie hätte er in dieser Situation gehandelt? Die Antwort darauf war bedeutungslos. Randall T. Donovan war nicht wie sein Vater und würde auch niemals zu so einem rückgratlosen Pisser werden.
Donovan rührte Rasierschaum an, seifte sein Gesicht ein und setzte das Messer an. Vorsichtig schabte er die Bartstoppeln mit der extrem geschärften Klinge gegen den Strich ab. Die Angewohnheit, sich mit diesem Rasiermesser zu rasieren, hatte er von seinem Vater, einem ehemaligen Flottillen-Commander der US Navy übernommen. Jeder in Donovans Team kannte dieses Messer, doch niemand ahnte, dass Donovans Vater sich damit vor vielen Jahren die Kehle aufgeschlitzt hatte. Donovan, damals gerade einmal 13 Jahre alt, hatte ihn auf dem Badboden vorgefunden, inmitten einer riesigen Blutlache, in der Hand das Rasiermesser. Bezeichnenderweise hatte Donovan der Anblick des glänzenden Messers inmitten des dunkelroten Blutes mehr als alles andere gefesselt. Sein toter Vater dagegen war nur die passende Staffage dazu gewesen. Donovan hatte das Messer an sich genommen und benutzte es seit seiner ersten Rasur. Es erinnerte ihn an das Versagen seines Vaters und mahnte ihn, niemals Momente der Schwäche zuzulassen.
Laymon öffnete die Tür. »Jackpot!«
Rasch beendete Donovan seine Rasur, kehrte in die provisorische Kommandozentrale zurück und blickte Laymon über die Schulter. Laymons Monitor zeigte ein Standbild, aufgenommen von einer der städtischen Überwachungskameras Hamburgs. Kein Zweifel, bei den Personen auf dem Bild handelte es sich um Fisher und Schäfer.
»Sie tragen Baseballkappen«, sagte Laymon, »aber hier sieht Schäfer für einen Augenblick nach oben. Das System berechnet eine Matchquote von 95,8 Prozent.«
»Sie sind es«, stellte Donovan fest. »Was zum Teufel suchen die beiden in Hamburg?«
»Keine Ahnung, Sir.«
Laymon startete eine Videoaufzeichnung. Sie zeigte wartende Taxis vor dem Bahnhof. Menschen liefen umher,
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