Blow Out (German Edition)
sie auf Laymon, der eine Minute später in der Tür zum Treppenhaus erschien. Er nickte knapp: Alles lief nach Plan. Im Gleichschritt gingen sie bis vor Zimmer 707.
Donovan und Foster zogen ihre Taser. Laymon beugte sich über das elektronische Türschloss, zog einen unscheinbaren Chip aus der Innentasche seines Jacketts und hielt ihn vor das Schloss. Keine fünf Sekunden später leuchtete das grüne Lämpchen auf und die Tür glitt zur Seite.
Laymon sprang vor, den Taser schussbereit vor sich haltend. Foster wirbelte mit der Waffe in der Hand herum, um seinen Kollegen zu sichern. Donovan folgte ihm. Linker Hand befand sich die Tür zum Bad. Während Foster und Laymon ihn sicherten, warf Donovan einen Blick hinein: leer. Foster und Laymond drangen mit schnellen Bewegungen ins Halbdunkel des Schlafzimmers vor. Der Mann auf dem Bett wachte erst auf, als sie ihm 100 000 Volt durch den Körper jagten. Er hatte keine Chance. Noch während Foster ihm zwei Taser-Projektile in die Hüfte schoss, band Laymon ihm die Hände mit einem Kabelbinder zusammen und drehte ihn auf den Rücken.
Endlich konnte Donovan sein Gesicht erkennen.
Fassungslos starrte er den Mann an.
»Sie?« Donovan senkte den Taser. »Scheiße, was machen Sie denn hier?«
Der Mann versuchte zu antworten, brachte aber nur sinnloses Gebrabbel zustande. Völlig perplex versuchte Donovan zu begreifen, was die Anwesenheit dieses Mannes hier zu bedeuten hatte. Was zum Teufel ging hier eigentlich vor?
72
»Danke, dass Sie uns empfangen«, sagte Emma und nippte an dem heißen Pfefferminztee, den Corinne Leuthard ihr gereicht hatte.
»Wir wissen das wirklich zu schätzen«, pflichtete ihr Nick bei.
Wie sie saß auch er in einem zerschlissenen Ohrensessel in dem altmodisch eingerichteten Wohnzimmer. In der Luft hing der Geruch von Pfefferminze und süßlichem Raumspray. Emma nahm noch einen dritten Geruch war, den sie aber nicht einordnen konnte.
»Wir bekommen nicht allzu häufig Besuch«, sagte Corinne Leuthard und zog einen runden Hocker unter dem Wohnzimmertisch hervor. Stocksteif, die Knie aneinandergepresst, setzte sie sich.
Alte Jungfer , war der erste Begriff, der Emma durch den Kopf geschossen war, als Corinne Leuthard ihnen vorhin die Tür geöffnet hatte. In der weißen Bluse mit spitzem Kragen und Stickereien an den Ärmeln und dazu einem knöchellangen beigen Faltenrock wirkte ihre ganze Erscheinung ausgesprochen bieder. Corinne Leuthard mochte Mitte sechzig sein, doch die grauen, zu einem Dutt geflochtenen Haare ließen sie erheblich älter aussehen. Die tiefen Falten um die Mundwinkel verliehen ihrem Gesicht einen verhärmten Ausdruck. Emma konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass vor ihr eine zutiefst unglückliche Frau saß.
»Wir freuen uns, dass Ihr Vater diesem Treffen zugestimmt hat«, sagte Nick und beugte sich in seinem Sessel nach vorn. »Er muss vor Neugierde doch schier platzen.«
Corinne Leuthard starrte in ihre Tasse. »Um offen zu sein, mein Vater hat diesem Treffen überhaupt nicht zugestimmt.«
Emma und Nick warfen sich einen erstaunten Blick zu. Emma fing sich als Erste. »Am Telefon sagten Sie …«
»Ich habe geschwindelt.« Corinne Leuthard ballte eine Hand zur Faust und presste die andere so fest darüber, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. »Bitte verzeihen Sie mir.«
Emma stellte ihre Tasse auf dem Wohnzimmertisch ab. Nicht unfreundlich, aber doch bestimmt sagte sie: »Ms Leuthard, Sie haben uns gestern am Telefon ein Gespräch mit Ihrem Vater in Aussicht gestellt. Nur deswegen haben wir den weiten Weg von Berlin hierher auf uns genommen. Was soll diese Farce?«
Die alte Frau betrachtete ihre verkrampften Hände. »Ich denke, ich schulde Ihnen eine Erklärung.«
Es dauerte eine Weile, bis Corinne Leuthard endlich zu reden begann. »Mein Vater ist alt. Nächsten Monat wird er 93. Wie Sie wissen, ist er schwer krank. Sein Überleben hing monatelang am seidenen Faden. Doch wir haben ihn alle unterschätzt. Er überlebte, aber er war seit diesem Tag nie wieder derselbe. Diese Sache hat ihn verändert. Verstehen Sie?« Sie blickte in die Runde.
Emma tat ihr den Gefallen und nickte knapp.
Corinne fuhr fort: »Vater zog sich von Freunden und Kollegen zurück. Leider auch von seiner Familie. Vom Hals abwärts gelähmt im Bett zu liegen, mit zerstörten Stimmbändern, aber nach wie vor mit einem messerscharf funktionierenden Verstand ausgestattet, geht auch an einer starken Persönlichkeit nicht spurlos
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