Blow Out (German Edition)
»Gehen Sie jetzt. Ich habe Ihnen nichts zu sagen.«
»Ich verstehe Sie einfach nicht«, sagte Emma enttäuscht.
»Gehen Sie!«
Corinne Leuthard war den Tränen nahe. »Es tut mir leid.«
»Machen Sie sich keine Vorwürfe«, entgegnete Emma. »Sie haben getan, was in Ihrer Macht stand.« Sie schob sich zwischen Ohrensessel und Rollstuhl hindurch, drehte sich in der Tür aber noch einmal um. »Übrigens, Dr. Leuthard, bedenken Sie eines: Ihnen läuft die Zeit davon. Was glauben Sie, wie lange Sie noch haben? Zwei oder drei Jahre? Vielleicht fünf? Sind Sie erst einmal tot, wird die Wahrheit für alle Zeiten mit Ihnen begraben.«
Keine Reaktion.
Nick legte ihr die Hand auf die Schulter. »Wir werden die Wahrheit auch ohne ihn herausfinden.«
»Nein. Donovan hat gewonnen.«
Leise surrend drehte sich Leuthards Rollstuhl in ihre Richtung. Seine Augen hefteten sich auf Emma. »Was haben Sie gerade gesagt?«
»Ich sagte, die Wahrheit wird mit Ihnen begraben werden.«
»Nicht das. Sie nannten soeben einen Namen.«
»Donovan?«
» Donovan «, wiederholte Leuthard kaum hörbar.
»Ja, einer der Agenten, die hinter uns her sind.«
»Kennen Sie ihn?«, fragte Nick.
Leuthards Mundwinkel zuckte und sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Mit einem Mal blitzte in Leuthards Augen blanker Hass auf. Nick zählte eins und eins zusammen. Und plötzlich ergab alles einen Sinn.
»Verschwinden Sie«, forderte Leuthard, sichtlich bemüht, die Fassung zu bewahren. »Auf der Stelle.«
Nick fixierte ihn. »Sie kennen Agent Donovan, und ich weiß auch woher.«
»Raus hier!«, brüllte Leuthard mit hochrotem Kopf. Er begann am ganzen Körper zu zittern.
»Besser, Sie gehen jetzt«, sagte Corinne Leuthard und schob Emma und Nick zur Wohnungstür.
Emma wollte protestieren, doch Nick zog sie mit sich. »Sie hat recht. Es ist vorbei.«
»Das alles tut mir unglaublich leid«, sagte Corinne Leuthard mit feuchten Augen.
»Mir auch«, erwiderte Emma.
»Komm«, sagte Nick und zog sie mit nach draußen.
74
Umgeben von herrlichen Parkanlagen, thronte auf einem über fünftausend Quadratmeter großen, von einem drei Meter hohen Eisenzaun umgebenen Areal in Berlin-Dahlem die Residenz des amerikanischen Botschafters. Die vor über einem Jahrhundert im Landhausstil errichtete schneeweiße Villa wurde von Außenleuchten dekorativ angestrahlt. Die Uhr zeigte 1.52 Uhr, als Donovan von den beiden Torwachen der Residenz angehalten wurde. Er saß auf dem Beifahrersitz einer Botschaftslimousine und kochte vor Wut. Zwei beschissene Marine-Wichser verweigerten ihm doch tatsächlich den Zutritt zum Gelände.
Donovan zückte seinen Communicator.
Ein Telefonat und einen Rückruf später drückte einer der Marines, bleich wie die Fassade der hinter ihm angestrahlten Residenz, auf den Toröffner und salutierte vor Donovan, während dieser an ihm vorbeibrauste. Im Rückspiegel sah Donovan, wie der Marine seinen Communicator zückte. Sicher rief er irgendeinen Kameraden an und prahlte damit, soeben einen Anruf von General James Earl Quentin höchstpersönlich erhalten zu haben, einem der fünf ranghöchsten Offiziere des United States Marine Corps.
Sie hielten vor dem Haupteingang, und ein livrierter Hausangestellter öffnete ihnen die Tür. Gefolgt von Laymon und Foster stürmte Donovan mit hochrotem Kopf in den großzügig bemessenen Repräsentationsbereich mit gleich zwei Empfangssälen, einer Bibliothek und einem Speisesaal.
»Seine Exzellenz der Botschafter wird Sie in wenigen Augenblicken empfangen«, informierte sie der Hausangestellte. »Ich darf Sie in den Empfangssaal zu meiner Rechten bitten.«
Durch eine altmodische Flügeltür aus dunklem Wurzelholz betraten sie den Saal, dessen Prunkstück ein acht Meter langer Mahagonitisch war, um den herum zwölf Stühle mit hohen Rückenlehnen standen. Eine Holographiewand im hinteren Teil des Saales bot die perfekte Illusion eines prasselnden Kaminfeuers.
»Wünschen die Gentlemen etwas zu trinken?«
»Bourbon«, blaffte Donovan.
Laymon bat um schwarzen Tee, Foster um Filterkaffee. So hatten sie es im Vorfeld abgesprochen, um den Hausangestellten möglichst lange in der Küche zu beschäftigen.
»Sehr wohl, Gentlemen.« Der Hausangestellte entfernte sich und ließ die drei Männer im Saal zurück.
Donovan hatte nicht vor, zu warten, bis sich Franklin bequemte, endlich aufzutauchen. Die Spielregeln hatten sich in dem Moment geändert, in dem sie Zimmer 707 betreten und dort jemanden
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