Blue liquid (Kommissar Pfeifers erster Fall)
fange im Schlafzimmer an“, wies Svea ihren Freund an.
Sie war mittlerweile wieder ganz die Alte und hatte das Kommando übernommen.
Dennoch war ihr unbehaglich zumute, als sie das Schlafzimmer ihrer Schwester
betrat. Sie fühlte sich nicht wohl dabei, in Paulines privaten Dingen zu schnüffeln.
Zunächst tastete sie sich daher nur zögernd vor. Sie öffnete den großen weißen
Spiegelschrank und seufzte vernehmlich. Der Geruch, der ihr entgegen schlug,
erinnerte sie schmerzlich daran, wie sehr sie Pauline jetzt schon vermisste.
Sie nahm einen hellbraunen Chanel-Anzug heraus und roch daran. Ein sanfter Duft
von Esteé Lauders „Pure White Linen“ schlug ihr entgegen. Paulines
Lieblingsparfum. Sie selbst hatte es ihr zu Weihnachten geschenkt.
Pauline…. Verflixt,
jetzt heulte sie schon wieder! Reiß dich zusammen, Svea. So bist du ihr
keine Hilfe. Du musst nachdenken und dich konzentrieren! Sie hängte den
Anzug ordentlich zurück und machte sich an die Arbeit. Sie durchsuchte die
Taschen jeder Hose und jedes Jacketts, sah unter die Matratze und in jeder Schublade
nach. Sie zog sogar das gesamte Bett ab, doch sie fand nichts von Bedeutung.
Pauline hatte nicht einmal Tagebuch geführt.
Auch Rafael hatte kein Glück.
Er kontrollierte den Schreibtisch und suchte nach einem doppelten Boden in den
Schubladen. Svea fand das, trotz der widrigen Umstände, sehr lustig, und nannte
ihn Agent Heinke. Sie fragte ihn, ob sie sein Heinke Girl sein dürfe. Rafael
überging den unpassenden Kommentar geflissentlich. Er schob es auf die
psychische Belastungssituation, in der sich seine Freundin befand, und fuhr mit
seiner Durchsuchung beharrlich fort. Er las jeden einzelnen Brief und
überprüfte jede noch so kleine Rechnung, doch es schien vergeblich. Pauline
hatte absolut nichts zu verbergen gehabt.
Nach drei Stunden gaben sie
schließlich entmutigt auf. Sie hatten die gesamte Wohnung auf den Kopf
gestellt. Keine Nische war ihnen verborgen geblieben und dennoch hatten sie
noch immer keinen Hinweis auf Paulines Verbleib gefunden. Rafi machte die
Bemerkung, dass kein Hinweis in diesem Fall nicht unbedingt schlecht sein
musste. Ja, sie hatten nichts gefunden, aber dieses Nichts beinhaltete auch
keinen Abschiedsbrief von Pauline und vor allem, keine tote Pauline.
„Das einzige, das ich nicht
prüfen konnte, war der PC. Der Computer ist passwortgeschützt. Ich habe alle
üblichen Passwortkombinationen versucht, keines stimmt“, sagte Rafael.
Erschöpft blickte er aus dem Fenster. Der Schreibtisch stand so, dass Pauline
beim Arbeiten hinaussehen konnte. Hier oben im vierten Stock hatte sie einen wunderbaren
Ausblick über einen kleinen Park und ein Stück des mächtigen Kiefernwaldes,
welcher direkt an den Park grenzte. In Rieselfeld wurden hauptsächlich
Einfamilienhäuser und maximal zweigeschossige Geschoßbauten errichtet. Das
vierstöckige Haus, in dem Pauline lebte, war den Einwohnern schon immer ein
Dorn im Auge gewesen. Es war älter als die anderen Gebäude und hatte früher zur
Unterbringung von Aussiedlern gedient. Nachdem es vor einigen Jahren komplett
saniert und zu Luxuswohnungen umgebaut worden war, hatten sich die Zwei- bis
Vierzimmerwohnungen teuer verkaufen lassen. Jetzt wohnten dort hauptsächlich
gut verdienende Singles. Die Rieselfelder beäugten die Bewohner etwas
skeptisch, doch Pauline lebte gerne hier. Sie hatte sich eine Joggingstreckte
durch den Park und durch einen Teil des Waldes gesucht und lief jeden Morgen
sechs Kilometer, bevor sie zur Arbeit fuhr, um sich fit zu halten.
Svea trat zu Rafael und legte einen Arm auf seine Schulter, mit der
anderen Hand strich sie über den Schreibtisch. Der Tisch war ein Erbstück ihrer
Mutter gewesen. Svea hatte gerne darauf verzichtet. Ihr lag nicht so viel an
dem altmodischen Kram. Sie wollte neue und moderne Möbel haben. Pauline
hingegen liebte Antiquitäten und restaurierte auch hin und wieder ein Stück
selbst. Gedankenverloren standen sie nebeneinander am Fenster und sahen zu, wie
die Dunkelheit sich langsam ausbreitete.
„Lass
uns den Kommissar anrufen und ihn um Hilfe bitten“, schlug Svea in die Stille
hinein vor. Sie zog die Visitenkarte aus ihrer Jackentasche und wählte die
Nummer des Polizeireviers. „Roth“, meldete er sich barsch. Svea hielt den Hörer
etwas weiter vom Ohr weg. „Svea Schirrer hier. Ich war heute Morgen bei Ihnen.“
„Ja,
ich erinnere mich“, er klang jetzt schon etwas freundlicher. „Was gibt’s denn?
Haben Sie etwas
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