Blüte der Tage: Roman (German Edition)
verwendet, auch Pfropfen durch Anschäften genannt.«
Ruckartig richtete er sich auf und sah Stella an. Die Ähnlichkeit mit seiner Mutter war unverkennbar – dieselben markanten Züge, dieselben ausdrucksvollen Augen. Sein dunkles Haar war um einiges länger als das seiner Mutter und im Nacken mit einer Bastschnur zusammengebunden. Wie seine Mutter war er groß und sehr schlank und nachlässig in abgewetzte Jeans und ein Memphis-University-Sweatshirt voller Erdflecken gekleidet.
»Sie verstehen etwas von Veredlung und Pfropfung?«
»Nur die Grundlagen. Ich habe einmal eine Kamelie durch seitliches Einspitzen veredelt. Aber in der Regel beschäftige ich mich mit Stecklingen. Ich bin Stella. Freut mich, Sie kennen zu lernen, Harper.«
Er rieb sich die Finger an der Jeans ab, ehe er ihre dargebotene Hand ergriff. »Hallo. Mom sagt, Sie werden die Organisation unseres Betriebs übernehmen.«
»Ja. Und ich hoffe auf gute und befruchtende Zusammenarbeit. Woran arbeiten Sie da?« Sie ging zu einer Reihe von Töpfen, die mit sauberen Plastiktüten abgedeckt und durch Holzpflöcke von der gepfropften Pflanze abgetrennt waren.
»Schleierkraut. Ich züchte blaue Blüten, genauso wie rosa und weiße.«
»Blau. Meine Lieblingsfarbe. Nun, ich will Sie nicht länger aufhalten. Ich habe gehofft«, fuhr sie an Roz gewandt fort, »wir könnten uns kurz meine Vorschläge durchsehen.«
»Gut, gehen wir hinter ins Gewächshaus. Das Büro ist einfach zu voll gestellt. Harper?«
»Okay, okay. Ich komme in fünf Minuten nach.«
»Harper.«
»Gut, dann in zehn. Aber das ist mein letztes Angebot.«
Lachend gab ihm Roz einen leichten Klaps auf den Hinterkopf. »Ich hoffe für dich, dass ich nicht zurückkommen muss, um dich zu holen.«
»Uh, da fürchte ich mich aber«, grinste er.
Draußen stieß Roz einen tiefen Seufzer aus. »Er klebt da drinnen fest. Man muss ihm mit der Heugabel in den Hintern stechen, um ihn loszueisen. Er ist der einzige meiner Söhne, der Interesse am Gartenbau hat. Austin ist Reporter in Atlanta und Mason angehender Arzt. Er macht in Nashville gerade sein Praktikum.«
»Sie sind bestimmt sehr stolz auf Ihre Söhne.«
»Sicher, nur sehe ich sie leider viel zu selten. Und meinem Sohn Harper, der quasi vor meiner Nase lebt, muss ich förmlich hinterherlaufen, um ihm ein Gespräch abzuluchsen.«
Roz schwang sich auf einen der Tische. »So, was haben Sie vorbereitet?«
»Er ist Ihnen wie aus dem Gesicht geschnitten.«
»Das höre ich oft. Für mich sieht er einfach nur aus wie Harper. Sind Ihre Jungs bei David?«
»Ja. Ich wollte sie abholen, aber keine Chance.« Sie öffnete ihre Aktentasche. »Ich habe ein paar Notizen gemacht.«
Angesichts des Stapels eng beschriebener Blätter wirkte Roz etwas konsterniert. »Das sehe ich.«
»Ich habe auch einige grobe Entwürfe angefertigt, wie man das Layout verbessern könnte, um den Absatz zu steigern und die Produkte wie Gartengeräte und andere Artikel mehr hervorzuheben. Sie haben einen erstklassigen Standort, eine hervorragend angelegte Gärtnerei und einen sehr ansprechenden Eingangsbereich.«
»Aber?«
»Aber ...« Stella leckte sich über die trockenen Lippen. »Der Verkaufsbereich im vorderen Ladenteil ist etwas unorganisiert. Mithilfe einiger Veränderungen könnte man erreichen, dass dieser Bereich harmonisch in den hinteren übergeht und weiter zum Herzstück Ihres Gartenbaubetriebs. So, ein zweckmäßiger Organisationsplan ...«
»Oh, mein Gott!«
»Keine Bange, das ist nicht so schlimm, wie es sich anhört. Was Sie brauchen, ist eine Neustrukturierung in den Bereichen Verkauf, Produktion und Pflanzenzucht. Auf letzterem Gebiet sind Sie zweifellos Fachfrau, doch sie brauchen mich, um Produktion und Verkauf anzukurbeln. Wenn wir das Absatzvolumen steigern, so wie ich es hier vorgeschlagen habe ...«
»Sie haben Tabellen angefertigt«, rief Roz verblüfft. »Und Grafiken. Ich ... O Gott, da wird mir ja himmelangst!«
»Ach was«, erwiderte Stella lachend und fügte, nach einem Blick auf Roz’ Miene hinzu: »Nun ja, es sieht vielleicht beängstigend aus, aber wenn Sie sich diese Tabelle ansehen, erkennen Sie, dass Sie nach wie vor die gesamte Verantwortung für den Betrieb haben. Wir teilen lediglich die Bereiche auf. Für die Pflanzenvermehrung, also für Zucht und Veredelung, sind Sie und Harper zuständig, dafür leite ich Produktion und Verkauf. Zumindest vorläufig. Sie sollten jemanden beauftragen oder einstellen, der sich um die
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