Blüte der Tage: Roman (German Edition)
beruhigte er sich. Sie würde sowieso nicht mitkommen. Eine Frau wie sie war für so einen Spaß nicht zu haben. Pah, wie er das sah, war sie für gar keinen Spaß zu haben.
Sie würden beide vergessen, dass er dieses Thema je erwähnt hatte.
Stella hatte darauf gedrängt, dass Roz und sie sich zumindest in den ersten sechs Monaten einmal in der Woche zu einer Zwischenbilanz zusammensetzten.
Am liebsten hätte sie diese Besprechungen immer am selben Wochentag, zur selben Uhrzeit und am selben
Ort abgehalten. Aber Roz hasste es, sich festlegen zu müssen.
Und so fanden diese Treffen mal im Gewächshaus, mal im Freien, mal im Büro statt. Diesmal spürte sie Roz in deren Wohnzimmer auf, wo die Fluchtmöglichkeiten sehr eingeschränkt waren.
»Ich würde gern den wöchentlichen Bericht loswerden.«
»Oh. Na gut.« Roz legte den dicken Wälzer über Hybridisation beiseite und nahm ihre randlose Lesebrille ab. »Die Zeit verfliegt. Bald haben wir Frühling.«
»Ja. Die Narzissen stehen kurz vor der Blüte. Viel früher, als ich es von zu Hause gewohnt bin.«
»Heimweh?«
»Hin und wieder, aber es wird immer seltener. Und jetzt, im Februar, ist Michigan nicht sehr attraktiv. Gestern gab es dort fünfzehn Zentimeter Neuschnee, während hier bereits die Narzissen hervorsprießen.«
Roz lehnte sich zurück und kreuzte ihre in dicke Wollsocken gehüllten Füße an den Knöcheln. »Gibt es ein Problem?«
»So viel zu der Illusion, ich könnte meine Gefühle perfekt verbergen! Trotzdem, ein Problem ist es nicht. Ich habe vorhin nur den Pflichtanruf bei meiner Mutter getätigt. Davon muss ich mich noch erholen.«
»Ah.«
Es war ein völlig neutraler Laut, den man als Desinteresse oder auch als Einladung, sein Herz auszuschütten, interpretieren konnte. Da Stella innerlich kochte, entschied sie sich für die zweite Option.
»Sie hat in der Viertelstunde, die sie mir trotz ihres randvollen Terminkalenders geopfert hat, fast nur über
ihren gegenwärtigen Freund gejammert. Sie ist achtundfünfzig und wurde vor zwei Monaten zum vierten Mal geschieden. Und wenn sie sich nicht über Rocky – so heißt er tatsächlich – beschwerte, weil er ihr angeblich nicht genügend Aufmerksamkeit schenkt, dann redete sie über ihr nächstes Fruchtsäurepeeling oder klagte über ihre schmerzhafte letzte Botox-Behandlung. Sie hat sich kein einziges Mal nach den Jungen erkundigt, geschweige denn nach mir. Meine neue Situation interessierte sie nur insofern, als sie wissen wollte, ob mir der Volltrottel und sein Flittchen – ihre Standardbezeichnung für meinen Vater und Jolene – noch nicht auf die Nerven gingen.«
Stella holte Luft und legte die Hände auf ihre erhitzten Wangen. »Verdammt.«
»Für eine Viertelstunde ist das ganz schön viel Geschimpfe, Gejammer und Gestichel. Respekt – das macht ihr so schnell keiner nach. Eine sehr talentierte Frau, Ihre Mutter.«
Entgeistert starrte Stella Roz an. Dann warf sie den Kopf zurück und brach in schallendes Gelächter aus.
»O ja, sie steckt voller Talente. Danke.«
»Keine Ursache. Meine Mutter hat den Großteil ihrer Zeit – zumindest die Zeit, die wir zusammen auf Erden hatten – mit wehmütigem Seufzen wegen ihrer Gesundheit verbracht. Sie wolle sich ja nicht beklagen, sagte sie immer. Beinahe hätte ich das in ihren Grabstein einmeißeln lassen. ›Ich will mich ja nicht beklagen.‹«
»Auf dem Grabstein meiner Mutter könnte stehen: ›Ich verlange ja nicht viel.‹«
»Auch recht originell. Nun ja, jedenfalls war das Beispiel meiner Mutter derart abschreckend, dass ich mich genau in die andere Richtung entwickelt habe. Wahrscheinlich
könnte man mir den Arm abschneiden, ohne dass ein Laut über meine Lippen käme.«
»O Gott, ich denke, ich habe mich ebenfalls in Opposition zu meiner Mutter entwickelt. Darüber werde ich noch nachdenken. Nun zum geschäftlichen Teil. Die gemischten Zwiebelgewächse samt den schönen Übertöpfen sind alle verkauft. Ich weiß nicht, ob es sich noch lohnt, neue Sets anzubieten.«
»Vielleicht ein paar. Manche Leute nehmen so etwas gern als Ostergeschenk oder Mitbringsel mit.«
»Okay. Soll ich Hayley zeigen, wie man das macht? Ich weiß, normalerweise bepflanzen Sie die Blumentöpfe, aber ...«
»Nur zu, das wird Hayley Spaß machen. Ich habe sie beobachtet.« Als sie Stellas befremdeten Ausdruck bemerkte, neigte sie den Kopf zur Seite. »Ich hoffe, das fällt nicht weiter auf, aber ich habe meine Augen überall. Ich
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