Blüte der Tage: Roman (German Edition)
und tiefblaue Blütenblätter
zeigten. Es war eine absolut unmögliche Farbe. Zu anmaßend, zu dunkel, zu grell.
Aber wunderschön, das ließ sich nicht abstreiten. In der Tat hatte sie noch nie eine schönere Blume gesehen. Sie wirkte so kräftig, so lebendig. Sie war nun fast so groß wie sie selbst, mit Blüten so groß wie Teller.
Sie lügt. Sie lügt.
Dieses Wispern, das sich irgendwie weiblich und zornig anfühlte, stahl sich in ihren Schlaf. Sie wimmerte leise, warf sich in ihrem eiskalten Bett unruhig hin und her.
Töte sie! Töte sie! Schnell, ehe es zu spät ist!
Nein, so etwas Schönes, Kraftvolles, Lebendiges konnte sie nicht töten. Trotzdem durfte sie die Blume nicht hier stehen lassen, wo sie die anderen Pflanzen störte.
All die Arbeit, die Vorbereitung, die Planung, und nun dies. Andererseits müsste sie einfach nur ein weiteres Beet anlegen und die Dahlie dort einsetzen. Seufzend streckte sie die Hand aus, strich mit den Fingerspitzen über die kühnen blauen Blütenblätter. Es würde viel Arbeit sein, dachte sie, viel Mühe, aber ...
»Mom.«
»Ist sie nicht schön?«, murmelte sie. »Sie ist so blau.«
»Mom, wach auf!«
»Was?« Sie schreckte aus ihrem Traum hoch und wurde sofort hellwach, als sie Luke sah, der neben ihr im Bett kniete.
Gott, in dem Zimmer war es eiskalt.
»Luke?« Automatisch zog sie die Decke über ihn. »Was ist?«
»Mir ist schlecht.«
»Ach.« Sie setzte sich auf und legte ihm die Hand auf
die Stirn, um zu sehen, ob er Fieber hatte. Etwas warm, dachte sie. »Hast du Bauchweh?«
Er schüttelte den Kopf. In seinen Augen schimmerten Tränen. »Aber ich fühl mich nicht gut. Darf ich bei dir schlafen?«
»Ja, natürlich.« Sie wickelte ihn in die Decke. »Komm, kuschel dich ein, mein Schatz. Ich weiß auch nicht, warum es hier drinnen so kalt ist. Ich werde dir sicherheitshalber mal Fieber messen.« Als er sich neben sie auf das Kissen legte, drückte sie die Lippen auf seine Stirn. Ja, eindeutig etwas warm.
Sie knipste die Nachttischlampe an und stand auf, um aus dem Bad das Thermometer zu holen.
Gleich darauf kehrte sie zurück und schob Luke vorsichtig die Thermometerspitze ins Ohr. »Mal sehen, ob ich in deinen Kopf gucken kann«, sagte sie, während sie ihm sanft über das Haar strich. »War dir schon beim Zu-Bett-Gehen schlecht?«
»Nein, es war ...« Er stöhnte, sein Körper verkrampfte sich.
Ihr war klar, dass er sich übergeben würde. Rasch hob sie ihn hoch und stürzte mit ihm ins Bad. Sie schafften es gerade noch rechtzeitig, und während er sich über der Toilettenschüssel erbrach, strich sie ihm über das Haar und redete ihm beruhigend zu.
Schließlich wandte er ihr sein bleiches kleines Gesicht zu. »Ich hab gebrochen.«
»Ja, mein armer Liebling. Aber du wirst sehen, bald wird es dir wieder besser gehen.«
Sie ließ ihn aus dem Zahnputzbecher etwas Wasser trinken, wischte sein Gesicht mit einem feuchten Waschlappen ab und trug ihn in ihr Bett zurück. Seltsam, dachte
sie; jetzt herrscht im Zimmer eine angenehme Temperatur.
»Jetzt ist mir nicht mehr so schlecht.«
»Fein.« Trotzdem maß sie noch einmal seine Temperatur siebenunddreißig, also leicht erhöht – und brachte den Abfalleimer ans Bett. »Tut es dir irgendwo weh?«
»Nein, aber ich will nicht brechen. Dann hab ich so einen blöden Geschmack im Mund. Und vielleicht fällt mir dabei dann mein anderer Wackelzahn raus, und dann kann ich ihn nicht mehr unter das Kissen legen.«
»Mach dir darüber keine Gedanken. Du wirst deinen Zahn bestimmt unter das Kissen legen können, genauso wie den anderen. Ich geh schnell nach unten und hol dir ein Glas Cola. Ich bin gleich wieder da, okay?«
»Okay.«
»Wenn es dir wieder übel wird, dann versuch, in den Eimer zu spucken.« Sie schob den Abfalleimer näher an das Bett. »Bis gleich, Liebling.«
In ihren Bademantel gehüllt, eilte sie die Treppen hinunter. Ein großes Haus hatte den Nachteil, dass die Küche meilenweit von den Schlafzimmern entfernt war.
Sie würde sich für ihre Räume einen kleinen Kühlschrank kaufen, so wie der, den sie in ihrem Zimmer im College gehabt hatte.
Leicht erhöhte Temperatur, dachte sie, als sie in die Küche huschte. Wahrscheinlich wird er morgen wieder wohlauf sein. Falls nicht, würde sie den Arzt anrufen.
Sie fand eine Flasche Cola, schnappte sich noch eine Flasche Wasser und ein Glas und eilte wieder nach oben.
»Ich krieg Cola«, hörte sie Luke sagen, als sie durch den Flur auf ihr
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