Blütenrausch (German Edition)
am Lift begegnete.
» Und dieser Saxofonspieler ist nicht mehr da?«
»Ich habe ihn nicht mehr gesehen. Und keiner weiß, wer oder wo er ist.«
»Gut, dann lass mich jetzt mal hier weiter machen.« Wir hatten den Saal erreicht, und Oliver blickte kurz zu der Toten und der Ansammlung Menschen, die in ihrer Nähe waren. »Ich bitte dich draußen zu warten, bleib aber in der Nähe, falls ich dich noch brauchen sollte.«
»H ier drinnen bin ich nützlicher.«
» Therese, bitte ...«
Es gefiel mir nicht, hinaus komplementiert zu werden, aber ich sah es ein: Ich gehörte einfach nicht mehr dazu. Ich war nur noch Laie, besten falls eine Zeugin. Unsicher, was ich als Nächstes tun sollte, beschloss ich, schließlich eine Weile auf die Terrasse zu gehen, um etwas Luft zu schnappen. Dort traf ich Markus. Er saß auf der Balustrade, rauchte eine Zigarette und ließ seinen Blick in dem leicht beleuchteten Park umherschweifen.
»Ist der Park nicht herrlich?« , meinte er. »Wenn ich ein Vogel wäre, würde ich gerne hier leben. Schau, auf genau diesem Baum würde ich mein Nest bauen.« Er zeigte auf einen alten Ahorn mit einem kompliziert und stark verzweigten Baumstamm. »Von dort aus behältst du den Blick über alles, was unter dir geschieht, ohne beteiligt sein zu müssen. Und du kannst deine Meinung frei äußern, ohne gehört zu werden. Ist das nicht toll?«
» Bist du jetzt unter die Philosophen gegangen?«
»Quatsch, ich versuche, mich nur ein wenig abzulenken. Das, was passiert ist, ist einfach nur schrecklich.«
»Ja, das stimmt. So eine tragische Hochzeit habe ich auch noch nie erlebt.«
»Sie war noch so jung und hübsch. Die Kamera liebte sie. Ihre ausdrucksvollen Augen umgarnten die Linse, als wäre sie eine Schlange, die ihre Opfer mit ihrem hypnotischen Blick bezirzte. Wunderschön.«
Wie war das noch mal: Ein Blick sagt mehr als tausend Worte?
»Hat die Polizei dich eigentlich schon verhört?«
»Nein, aber ich hoffe, die tun das bald . Ich bin müde und will nur noch nach Hause.«
»Markus, du und deine Kamera, ihr habt doch immer alles im Blick ... so wie dein Vogel im Park«, grinste ich. »Hast du irgendetwas beobachtet, was dir komisch vorkam?«
»So was , wie argwöhnische Gesten, neidische Blicke oder nicht angebrachte Kommentare?«
»Ja, so etwas in der Art.«
»Kann sein, aber nicht ich behalte die Szenen im Kopf, sondern die Kamera. Ich knipse wie verrückt, ohne manchmal zu wissen, was ich da überhaupt abbilde. Wenn ich arbeite, bin ich fast wie in Trance: Ich sehe etwas, was mich beeindruckt, drücke auf den Auslöser, und wenn ich mich auf das nächste Motiv konzentriere, habe ich das vorherige schon längst vergessen. Aber es ist alles hier drin.« Markus streichelte die Kamera, die über seine Brust hing.
»Die Polizei wird die Speicherkarte haben wollen. Könntest du mir vorher schn ell alles auf einen USB-Stick übertragen?«
»Du will st doch etwa nicht der Familie? ...«
»Nein, keine Sorge, ich würde doch niemals meinen Kunden deine Bilder aushändigen, bevor du sie bearbeitet hast. Ich will einfach nur schauen, ob ich etwas entdecke, das ich übersehen habe und was für die Aufklärung des Falles eventuell hilfreich sein könnte.«
»Wenn es so ist, dann mache ich mich gleich an die Arbeit.«
Markus lief zum nächsten Stehtisch und zerdrückte seine Kippe in einem Aschenbecher. Dann ging er, mit mir im Schlepptau, zu seinem Equipment, das er in einem Schließfach am Empfang deponiert hatte.
Wir saßen beide noch auf der Couch in der Eingangshalle, als Oliver sich uns näherte. »Sind Sie der Hochzeitsfotograf?«, fragte er, während er in dem Sessel Platz nahm, der unmittelbar neben Markus stand.
»Ja, das bin ich.«
»Kö nnen Sie sich ausweisen?« Markus nahm seine Brieftasche aus der Hose und zog seinen Ausweis heraus. Oliver überprüfte das Dokument und gab es dann wieder zurück. »Was machen Sie gerade?«
Markus schaute mich verlegen an, dann wanderte sein Blick zu dem Laptop, der vor ihm auf dem Tisch stand.
Bevor er auf die Idee kam, etwas Falsches zu sagen, ergriff ich schnell das Wort: »Wir wollten die Zeit nutzen, um die Hochzeitsbilder zu besprechen. Sucht dich Schulze gerade?«
Als ich in Richtung Hotelbar zeigte und Oliver sich umdrehte, nahm ich die Gelegenheit war, um den USB-Stick, der noch am Laptop angeschlossen war, unauffällig in meiner Hand verschwinden zu lassen. Markus hatte zuerst alle Bilder auf seinem Laptop speichern müssen,
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