Blumen für den Führer
nach.
»Sie sind mir keine Auskunft schuldig, nein. Aber Sie müssen in den Spiegel sehen, Sie müssen Ihre Frau anschauen und vielleicht Ihre Kinder und Nachbarn …«
»Werden Sie nicht unverschämt! Sonst sind Sie schneller unten, als Sie denken.«
»Unten? Kamen die Schreie aus dem Keller?«
»Halten Sie den Mund!«, schrie er. »Sehen Sie, was Sie angerichtet haben!«
Die Frau machte sich von Waltraut los, wischte ihre Hand weg. Sie schlug sich auf die Ohren. »Seien Sie doch still! Ich kann nicht mehr. Sie machen alles nur noch schlimmer …«
Waltraut wich vor ihr zurück und rückte mit dem Stuhl zur Seite. Sie hatte ihr doch helfen wollen! Die Tür ging auf, die Klinke quietschte zweimal schmerzhaft. Ein Mann im dunklen Anzug. »Fräulein Knesebeck? …«
Die Sehnsucht
I ch finde es toll, dass du noch einmal bei uns schläfst«, murmelte Karin. »Wenn du erst beim Führer in Berlin bist, wirst du nur noch selten Zeit für uns haben. Erzähl uns mehr von ihm, ach bitte!«
Reni zierte sich ein bisschen. Ihr Besuch bei den Freundinnen war höflich und würde nicht zur Regel werden. Aber das verriet sie nicht. Sie horchte. Auf dem Flur und im Schlafsaal
war es still. Sie wollte nicht vom Führer reden, lieber erzählte sie vom Urwaldspital in Lambarene. »Vor ein paar Wochen wurde ein Negerkönig ernsthaft krank. Doktor Schweitzer und meine Eltern haben sich um ihn gekümmert. Unten am Flussufer wurde getanzt, getrommelt und viele Götter wurden angerufen. Das war ein bisschen schauerlich. Ein berühmter alter Medizinmann wurde von weit her geholt. Er trug ein langes Kleid aus Baumrinden und sein Gesicht war weiß und rot bemalt. Die Negerbuben wurden zum Blätterund Wurzelsammeln in die Wälder geschickt und der Medizinmann kochte daraus einen bitteren Sud. Den strich man dem armen Negerkönig auf die kranke Brust, und siehe da …«
»Er wurde wieder gesund«, rief Hilde amüsiert.
»Natürlich«, sagte Reni lachend. »Oder glaubst du mir das nicht?«
»Erzähl uns was von unserem Führer, Reni, nichts aus Afrika.«
»Nein, lieber nicht.«
»Doch bitte!«, bettelte auch Friedel. »Nur das, was du von ihm weißt.«
Reni überlegte, sie fühlte sich geschmeichelt. »Ich habe ja schon angedeutet, dass in der Reichskanzlei verschiedene neue Büros eingerichtet werden, die sich auch um die Versorgung anderer Urwaldspitäler kümmern. Das Büro des Führers hat den Auftrag erhalten, in ständiger Korrespondenz mit Albert Schweitzer zu bleiben, der über die verschiedenen Gegenden und Probleme natürlich besser unterrichtet ist als wir. Jeder Wunsch, den der Oganga äußert, wird in Zukunft ohne Zögern von Berlin aus erfüllt.«
»Das ist wunderbar, Reni«, meinte Karin. »Du wirst in Berlin bestimmt eine großartige Laufbahn einschlagen.«
»Karriere«, korrigierte Friedel. » Karriere und Komtesse Renata . Unsere Reni wird der erste weibliche Adjutant des Führers. Unsere Reni, stellt euch das mal vor.«
»Stimmt es, dass sie dich auf Gut Haardt von jetzt an Komtesse Renata nennen?«, fragte Hilde. »Frau Misera hat es uns erzählt.«
Reni bestätigte es. Sie durfte nicht so tun, als bliebe alles, wie es war. Die Freundinnen sollten es ruhig wissen.
»Wisst ihr«, erklärte sie, »man muss das Hauspersonal immer ein wenig erziehen. Mein Papa möchte, dass es einen Abstand gibt zwischen uns, etwas, das uns unterscheidet … nicht zwischen euch und mir, ich meine die Bediensteten zu Hause.« Aber die Kluft war längst auch zwischen ihnen spürbar. Reni fühlte sich verändert, sie war nicht wirklich konzentriert, wenn sie erzählte. Und das Erzählen machte nicht denselben Spaß wie früher. Ihr spukte dauernd Jockel durch den Kopf und der Papa, Berlin und Lydia von Treschke. Allein schon, wenn sie beim Erzählen »Eltern« sagte, war das sonderbar – sie spürte die Veränderung in jeder Faser.
Die Freundinnen hatten sie mittags mit großem Hallo empfangen und sogar Frau Misera war in den Hof gekommen und hatte ihr die Hand gegeben. Reni hatte die Wirkung des Kostüms gespürt, das Lydia ihr geschenkt hatte. Es machte sie zur Frau. Figurbetont. Zwei neue Erzieherinnen hatten sie begrüßt. Sonderbare Blicke. Sie kamen aus Berlin und seien vor zwei Tagen mit Hauptsturmführer Fernau eingetroffen – beide streng und mit einem Bündel Neuerungen im Gepäck. So fand nun jeden Morgen vor dem Frühstück ein sogenannter Frühappell statt, bei dem die Mädel wie Soldaten in Reih und Glied stehen
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