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Blumen fuer Polt

Blumen fuer Polt

Titel: Blumen fuer Polt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
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„Bin
ich froh, daß Sie da sind, Herr Doktor. Kann ich gleich kommen? Es ist
dringend.“ Er holte eine Schachtel. Als er Czernohorsky sanft hochheben wollte,
fauchte der Kater erst, ließ es dann aber doch mit sich geschehen.
    Dr. Perner schaute Polt überrascht ins Gesicht. „Sie
sind hier falsch, Inspektor. Ich bin Tierarzt. Soll ich die Rettung rufen?“
    „Es geht nicht um mich.“ Polt stellte die Schachtel
auf den Ordinationstisch. Czernohorsky schrie laut und kläglich, sein Körper
zitterte. Der Tierarzt warf einen kurzen Blick auf den Kater. „Einschläfern?“
    „Nein“, sagte Simon Polt, „bitte nein.“
    Dr. Perner nahm rasch und mit herzloser Routine einige
Untersuchungen vor. „Ich werde operieren müssen, mit nicht sehr viel Aussicht
auf Erfolg. Ihr Risiko, ja?“
    „Ja.“
    „So ein Theater wegen einer Katze!“ murmelte der
Arzt, klopfte dann aber Polt auf die Schulter. „Wer weiß. Vielleicht schaffen
wir's ja doch. Rufen Sie mich gegen Mittag an. Dann wissen wir wenigstens
schon, ob er die Operation überstanden hat.“
    „Geht in Ordnung.“ Simon Polt war viel zu kaputt, um
das Durcheinander in seinem Kopf bändigen zu können. Immerhin erinnerte er sich
daran, daß er eigentlich seinen Dienst antreten sollte.
     
    „Oh!“ Harald Mank, der
ausnahmsweise einmal nicht mit dem Verzehr ungesunder Nahrungsmittel
beschäftigt war, faßte seinen Mitarbeiter verblüfft ins Auge.
    Polt nahm vorsichtig Platz. „Die Frieb-Brüder. Aber
die zwei schauen auch nicht besser aus als ich. Mike Hackls Motorradtruppe hat
nämlich mitgemischt, Sepp Räuschl war der rettende Engel, und in seinem
Preßhaus hat alles geendet. Übrigens: Der Kater ist wieder da. Halbtot.“
    Polts Vorgesetzter konnte sich an seinem Kollegen
gar nicht satt sehen. „Ein bißchen viel auf einmal, nicht?“
    „Es kommt, wie es kommt.“
    „Und du gehst jetzt erst einmal nach Haus, Simon,
Dienst hin oder her. Einsatzfähig bist du ohnedies nicht, und außerdem fürchten
sich Frauen und kleine Kinder vor dir.“
    Polt versuchte erst gar nicht zu widersprechen. Er
ließ es dann zu, daß Erika, die junge Höllenbäuerin, sein Gesicht mit
widerlich gesund riechenden Umschlägen traktierte, und trank gehorsam
Kräutertee. Eigentlich wartete er nur darauf, daß endlich die Mittagsstunde
kam. Punkt zwölf rief er Dr. Perner an.
    „Ein erstaunlich zähes Vieh“, klang es aus dem
Hörer. „Aber der Kater ist noch nicht über den Berg. Bis zum Abend bleibt er
bei mir. Dann werden wir weitersehen, wenn überhaupt.“
    „Wenn überhaupt!“ wiederholte Polt empört, nachdem
er aufgelegt hatte. Dann legte er sich aufs Bett, schaute zur Zimmerdecke hoch
und dachte an dies und jenes. Karin und er würden derzeit ein hübsches Paar
abgeben, wenigstens äußerlich, aber die Lehrerin war wohl nicht in der Laune
für einen Wettbewerb der blauen Flecken. War es überhaupt noch sinnvoll, der
Sache mit Willis Tod nachzugehen und sich damit Unfrieden einzuhandeln? Willi
war eben nicht mehr da, das wurde im Wiesbachtal beiläufig zur Kenntnis
genommen. Als er noch lebte, hatte ihn ja auch niemand beachtet. Nur einmal war
er sogar in die Zeitung geraten. Polt stand auf, wartete, bis sich das Schwindelgefühl
gelegt hatte, und kramte dann in einem Stapel alter Zeitungen, bis er eine
bestimmte Ausgabe gefunden hatte. Vor einigen Wochen war nämlich im Lokalblatt
eine kleine rührselige Geschichte erschienen, die Willi zum Thema hatte. Der
Redakteur, dessen weithin gefürchtetes lyrisches Schaffen im Zeitungsalltag für
seinen Geschmack viel zuwenig Beachtung finden durfte, hatte einen vorübergehenden
Mangel an aktuellen Ereignissen dazu genutzt, seine Sprachgewalt zu beweisen.
Schon der Titel „Das Schweigen des Lammes“ verhieß Tiefschürfendes. Nach ein
paar einleitenden Zeilen stand zu lesen:
    Willi hatte noch Glück. In den grausamen Wirren der
Nachkriegszeit blieb sein kaum erwachtes Leben verschont. Von unbekannten
Eltern gleichgültig und herzlos weggelegt, fand er Erbarmen. Es ist für ihn
gesorgt. Doch kann der mit klarem Verstände gesegnete Betrachter bei diesem
gedankenleer verdämmernden Leben von Glück schreiben? Mag sein, daß Willis
Eltern längst gestorben sind, doch mit ihren Gebeinen liegt ihre Schuld nicht
mit begraben. Aus dem Schweigen ihres unglückseligen Kindes tönt das Fanal
bitterer Anklage und ungesühnter Schuld. Sein leeres Gesicht spiegelt die
Fratze jener wider, die ihn verantwortungslos gezeugt und allein

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