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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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Perle
    Anfangs galt sie ihm nichts, sein Blick ging einfach über sie hinweg. Wie viele solcher jungen Dinger kannte er, wie viele hatten errötend, sich hinter ihrem Tuch versteckend, seinen brummigen Gruß entgegengenommen, er verschwendete keinen Gedanken an sie. Er kannte sie länger als Imre, denn er war schon im September dreiunddreißig auf sie aufmerksam geworden, an jenem Herbsttag, als das schaukelnde Dampfschiff Széchenyis eintraf. Peter befand sich unter den Schaulustigen im Hafen, seine Jacke beengte ihn, sie war ihm gerade zu klein geworden. Im Gedränge fiel ihm das Mädchen auf, er erinnerte sich später an ihre braunen Augen, die zusammengepressten Lippen und wie blass ihr Hals war. Oder stellte er sich das alles nur vor, als er bereits das Gefühl hatte, sie schon seit ewigen Zeiten, ja, von ihrer Geburt an zu kennen?! Diese zartknochigen, großäugigen Geschöpfe bestehen aus Träumen und verursachen auf einmal ein drückendes Gefühl in der Brust. Sie sind wie zu klein gewordene Jacken! Hexen! Schreckschrauben! Solche ungerechten Übertreibungen ließ er sich gerne durch den Kopf gehen. Im übrigen war es einerlei, wann er sie das erste Mal gesehen hatte, bald nahm er den Ehrgeiz, die enorme Kraft wahr, die von diesem Mädchen ausgingen, den unermesslichen und trotzdem gefährlichen Reichtum ihrer Sehnsüchte, und diese Entdeckung mahnte ihn anfangs zur Vorsicht. Vor Mädchen und Frauen, die Komplikationen heraufbeschworen, war er auf der Hut. Doch von Klara konnte er sich nicht fernhalten. Und wollte es auch gar nicht. Manchmal dachte er, Klara könnte egoistischer, fordernder sein, und er verstand nicht so recht, was sie bei dem kauzigen Imre hielt. Später entdeckte er den roten Fleck auf ihrer Hand, den mochte er sehr, er dachte, irgendein Engel habe ihr den Fleck aufgemalt, und von da an stellte er immer das mitgebrachte Likörglas darauf. Er dachte, dass dieser Fleck in Wirklichkeit er war, Peter. Dieser Fleck war das wundervolle Zeichen,das Stigma einer gescheiterten Existenz. Was für ein schöner Gedanke, seufzte er und war sehr zufrieden mit sich. Mit dem Vater des Mädchens, dem dummen Pelsőczy, pflegte er keinen Kontakt, obwohl sie oft im selben Kaffeehaus saßen. Pelsőczys Blick ruhte oft auf ihm, er hatte traurige, wässrige Augen, sein Gesicht war aufgedunsen und geädert. Ein Trinker, ein schwacher Mensch. Mit zitternden Händen hielt er das Streichholz, hustend blies er den Rauch aus und starrte ihn so ausdauernd an, dass Peter in Wut geriet, er hätte den Kerl am liebsten in den Hintern getreten, er hielt ihn für einen Schaumschläger, eine nichtsnutzige Gestalt, die aus einer windigen Unternehmung in die nächste flüchtete und sich, weil sie kaum etwas anderes beherrschte, nur mit letzter Kraft durchs Leben schleppte.
    Anfänglich war auch Klara nicht mehr gewesen als eine interessante Perle in seiner Reihe verträumter junger Mädchen und nach Abenteuern dürstender Frauen, unter denen er nach Belieben wählen konnte. Er sah viele Frauen, deshalb sah er keine einzige so richtig. In der vom Gebrüll der Kälber widerhallenden Savanne der Nyírgegend wartete die Wüstenblume auf ihn! Die gute Margit erwartete ihn! Und so viele andere Frauen warteten auf ihn, Julias, Marias und Amálias, alle warteten sie auf ihn, alle gaben ihm nach, die Demütigung der Zurückweisung war ihm unbekannt. Es bedurfte des Trunkenbolds Pelsőczy für eine bittere Arznei.
    Er sah oft, dass das Mädchen mit dem Vater auf dem Wrack spielte, er hörte sie lachen. Er hörte vom Brand des Schiffes, da war Imre bereits aus Deutschland zurückgekehrt, eine Zeitlang gingen sie einander aus dem Weg, dann überließ Peter ihm seinen Platz im Elternhaus und zog aus. Beim Abschied, von dem beide wussten, dass er endgültig war, umarmte er den Vater lange, später bemerkte er das Blut an seinem Kragen. Er glaubte, die wichtigsten Abenteuer hinter sich zu haben, sein Gefühl für die Gefahr schwand dahin, und weil ihn die eigene Kraft und Befähigung einschläferte, erlebte er wieder eine Demütigung. Auch diesmal kam die Lektion von einer Seite, von der er esam wenigsten erwartet hätte. An einem Abend nach dem Brand des Wracks erhob sich Pelsőczy, der neben dem ähnlich betrunkenen Redakteur Kigl gesessen hatte, und kam zu ihm an den Tisch.
    Störe ich?, fragte er.
    Ja, sagte Peter und erhob sich, um den Platz zu wechseln.
    Lassen Sie mich nicht sitzen, stotterte Pelsőczy, ich bitte Sie!
    Das verabscheute

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