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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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und zog sich zurück. Er vermied Streit, und bei Unstimmigkeiten, die sich an Kleinigkeiten, an der Bekleidung oder irgendwelchen unwichtigen Behauptungen entzündeten, blickte er nur geistesabwesend ins Leere, als würde er in eine Welt ohne Klara hineinsehen. Er begann, die Narzissenzwiebeln in den Gläsern am Fensterbrett zu untersuchen, worauf Klara anfänglich mit Gereiztheit reagierte. Es kam vor, dass sie die Tür hinter sich zuschlug. Klara war jung, folglich konnte sie leicht und tief in Verzweiflung geraten. Während Monat um Monat ihrer Ehe verstrich, hatte sie mehr und mehr das Gefühl, mit jedem Tag an Kraft einzubüßen, dem Nährboden ihrer Unabhängigkeit und Freiheit, auf die sie auch als verheiratete Frau nicht verzichten wollte. Sie hatte keine Zeit zu tanzen, zu weinen oder sich zu zerstreuen. Sie wurde geplündert, nicht aus Grausamkeit oder mit Absicht und auch nicht aus Unaufmerksamkeit, sondern der Weg zu ihr wurde ganz einfach nicht gefunden, und wenn es auch fraglich war, ob denn Imre einen solchen Weg zu ihrer Seele überhaupt suchte, trug Klara viel schwerer daran, dass ihr die Welt immer durchschaubarer wurde. Die Geheimnisse, die wohliges Erschauern erzeugenden Rätsel verschwanden, und dafür machte sie selbstverständlich Imre verantwortlich. Bei den Eltern war sie nie einsam gewesen. Doch neben Imre spürte sie oft etwas, was der Einsamkeit ähnlich war, auch wenn es ihr manchmal so vorkommen wollte, als ob sie die Bitternis der Einsamkeit mit der Gereiztheit der Eifersucht verwechselte. Bleich und mit zusammengepressten Lippen sah sie zu, wie Imre sich die Taschen mit Säckchen und Blumensamen vollstopfte und sich auf den Weg machte. Vom ersten Tag an hatte es ihn nicht zu Hause gehalten. Und jedes Mal, wenn er fort war, wurde es kälter im Haus.Nein, ich will nicht so werden wie meine Mutter, sagte Klara laut, wenn die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war.
    Eines Tages entdeckte sie ihre Fähigkeit, so zu lachen, dass man es für Weinen halten konnte. Sie fauchte, fiel wütend über ihren Mann her, Tränen flossen, doch in Wahrheit kicherte sie. Imre erschrak, sein überlegenes Lächeln verschwand, er warf das Botanikbuch auf den Tisch. Dann saßen sie einfach nur nebeneinander, während sich draußen die Dunkelheit über der Stadt ausbreitete, jemand sang auf Serbisch, am Himmel glimmerten schon die Sterne, und Imre schälte sie aus den Kleidern, seine Züge wurden hart, doch seine Bewegungen waren langsam, und es machte ihm nichts aus, dass Klara zuletzt an seinem Nacken herumknabberte. Später las sie, und sein Blick wanderte im Zimmer umher, erfasste die Gegenstände, die gepressten Blumen an den Wänden, die Bilder von Blüten und Wurzeln, seine in den Schaukästen glitzernden Mineralien und Steine, die goldgeprägten Rücken seiner Bücher, die Gläser, die Likör- und Weinbouteillen in der Vitrine, ganz als wolle er ein Inventar erstellen. Ein Schrei, Fußgetrappel, das Richtung Marsplatz verebbte − in der Gegend trieben Halbwüchsige ihr Unwesen. Wenn er den Regen herannahen fühlte, öffnete Imre das Fenster, um das erste Tröpfeln zu hören. Er sagte, das Schönste am Regen sei, wenn er anfange. Vorsichtig, geradezu schamhaft fallen die ersten Tropfen, dann folge die Stille, schließlich gehe ein wildes Getrommel los. Im Garten, mitten zwischen den Pflanzen, den riesigen Blätter sei das besonders schön! Klara hielt sich an ihm fest und atmete ihm den feuchten Luftzug weg. Sie hielt die Hand in den Regen und wedelte Imre die Tropfen ins Gesicht. Wenn es Nacht wurde, zündete er eine weitere Kerze an und schrieb, über den Tisch gekrümmt, bis in den Morgen hinein. Die Federspitze knisterte, als würden die endlosen Reihen hingekritzelter Sätze dem Papier Schmerzen zufügen. Die Schlafzimmertür stand halb offen, Klara hörte im Dämmerschlaf, dass er Selbstgespräche führte. Schubladen, Holzkästchen und Schatullen füllten sich mit Imres Notizen,doch Klara interessierten die Schriftstücke nicht, während sie ihm gerne beim Schreiben zusah, wie er hin und wieder zur Seite blickte, grübelte und sich, mit den Augen auf irgendeinem Gegenstand verharrend, die Stirn rieb. Er war abwesend, vielleicht sogar ein wenig benebelt, trotzdem ließ er sich jederzeit aus diesem flüchtigen Rauschzustand zurücklocken, denn es genügte, »nein«, »ja« oder »vielleicht« zu seufzen, es genügte, den nackten Fuß aus der Wärme der Lammfelldecke hervorzustrecken, damit er

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