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Blut & Barolo

Titel: Blut & Barolo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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aus Angeschwemmtem. Darunter Knochen, Pappen, elektrische Zahnbürsten, Rasierer und unzählige Dosen. Als Niccolò eintraf, erhob er sich nicht, sondern bellte nur kurz einen Gruß.
    »Ein neues Fundstück?«
    »Er nennt sich Niccolò. Behauptet, ein Freund der Dachshunde Albas zu sein. Er ist herabgestiegen, nicht gefallen.«
    »Die Dachshunde Albas? Ein verzärteltes Pack!«
    »Haben wir ihm auch schon gesagt. Er scheint das anders zu sehen. Aber was weiß ein Windspiel schon.«
    »Woher der Wind weht?« , fragte der Kleine Stinker. »Verdammich, ja!« , brüllten die Dachshunde. Es klang wie ein Schlachtruf.
    »Bringt ihn näher, ich will ihn richtig sehen.«
    Mit erstaunlicher Sprungkraft überwanden die Dachshunde das Wasser, Niccolò folgte ihnen. Sie bedeuteten ihm, den Hügel emporzusteigen. Der Kleine Stinker warein Rauhaar, seine Augen blickten alt und listig. Erst jetzt bemerkte Niccolò, dass seine Hinterläufe leblos waren. Die Dackellähme musste ihn erwischt haben.
    »Er hat nichts Verschlagenes an sich« , sagte der Kleine Stinker nach kurzer Betrachtung. »Noch sehr jung ist er – und anscheinend mutig. Denn er traute sich zu uns in die Tiefe. Sag uns, warum, Windspiel.«
    »Ich brauche Hilfe, nur ein kleiner Gefallen, mehr nicht. Bitte, o Kleiner Stinker!«
    Nun meldete sich einer der Dachshunde hinter Niccolò zu Wort. »Er hat ›o‹ gesagt! Das Klappergestell hat Manieren. Ein ganz Braver. Fein hat er das gemacht.«
    Der Kleine Stinker beachtete den Kommentar nicht. » Was ist mit deinem Ohr? Es ist ungewöhnlich gewinkelt.«
    »Seit einem Kampf in meinem Dorf ist es taub. Rimella heißt der Ort und liegt in der Langhe, auf dem Land. Nur wenige Häuser gibt es dort und kaum Autos. Ich gehöre nicht in eure Stadt, und ich will schnell wieder zurück. Werdet ihr mir helfen?«
    »Bei euch gibt es sicher Füchse und Dachse. Was für ein Festessen wäre das!«
    »Verdammich, ja!« , brüllte die Meute fröhlich.
    »Du bist zu einer merkwürdigen Zeit in Turin, Windspiel« , fuhr der Kleine Stinker fort. »Das Sindone ist verschwunden, und dies ändert alles. Die Menschen, die Tiere. Ein alter Hund soll schuld daran sein, ein Lagotto. Deshalb benehmen sich die Bewohner der Oberwelt merkwürdig. Wir Hunde sollten nun zusammenhalten. Die Dachshunde Albas leben in Saus und Braus, sie wollen ihren Reichtum nicht teilen. Ratten so groß wie fette Katzen hausen dort. Wir hier im Dunkel Turins müssen uns durchbeißen. Doch wir helfen einem Freund der Dachshunde – selbst wenn es sich dabei um die feisten Kameraden aus der Stadt der Trüffel handelt.«
    »Könnt ihr mich dann zur Questura bringen? Dort habensie meine Menschenfrau eingesperrt. Dabei hat sie nichts getan!«
    »Striezel wird dich hinführen. Geh lieber nicht zu nah hinter ihm ... er hat verrottete Taube gefressen.«
    »Ach was! Der stinkt immer so!«
    »Verdammich, ja!«
    »Tu ich gar nicht. Und die Taube war noch sehr lecker. Die hat der Schnee frisch gehalten. Der Kühlschrank der Natur!«
    Wenn es nicht an der Taube lag, dachte Niccolò, als er kurze Zeit später hinter Striezel herlief, dann musste dieser gerade innerlich verwesen. Doch das beeinträchtigte dessen Fröhlichkeit nicht im Geringsten. Er rannte so gutgelaunt durch die nachtschwarzen Gänge, als wären es saftige Wiesen an einem wunderschönen Sommermorgen. Niccolò hielt die Nase lieber nah ans kloakige Abwasser als in die Nähe von Striezels Hinterteil.
    »Da kommt selbst ein Windspiel wie du nicht mit, was? Ja, die Beinchen von Striezel bewegen sich schnell wie Libellenflügel. «
    Niccolò widersprach dem schwer pustenden Dachshund nicht. Die kleinen Würste waren stolz – und es wäre unklug, daran zu kratzen. Unter ihrem goldigen Äußeren lag härtester Stahl. Doch plötzlich ermüdete dieser und Striezel ging im Schritttempo weiter.
    »Will dich nicht überanstrengen, du hast ja noch was vor! Übrigens: Friss nichts, was du auf dem Weg findest. Dein Bauch ist ja nicht dran gewöhnt.«
    Niccolò hatte eher den Eindruck, dass Striezel für den Rückweg einige Rationen sichern wollte. Immer wieder gab dessen Hinterteil tuckernde Geräusche von sich wie ein kleiner Traktor, ansonsten verlief die unterirdische Wanderung ruhig. Selbst an die knirschenden und zirpenden Geräusche gewöhnte Niccolò sich.
    »Ich rieche schon den Ausgang« , sagte Striezel. »Da vorn geht’s gleich hoch.«
    Der schwache Lichtschimmer brannte in Niccolòs Augen. Die Unterwelt spuckte ihn in

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