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Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Titel: Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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an, aber sie unterbricht mich mit ihrer klaren, kräftigen Stimme.
    »Ich hoffe, du hast weiterhin vor, hier zu übernachten.«
    »Wie bitte?« Offenbar verwechselt sie mich. »Jaime, ich bin es, Kay …«
    »Dein Hotel ist in Laufnähe zu meiner Wohnung.« Jaime Berger klingt, als sei sie in Eile, nicht unhöflich, aber unpersönlich und brüsk. Sie will mich nicht zu Wort kommen lassen. »Check zuerst ein. Dann essen wir einen Happen.«
    Offenbar will sie nicht reden. Vielleicht ist sie ja nicht allein. Das ist absurd. Man verabredet sich nicht mit jemandem, wenn man den Grund nicht kennt, sage ich mir.
    »Wo?«, frage ich.
    Jaime nennt mir eine Adresse in Savannah, ein paar Häuserblocks entfernt vom Fluss. »Ich freue mich«, fügt sie hinzu. »Bis gleich.«
    Ich wähle gerade Lucys Nummer, als ein Mann in abgeschnittener Jeans und mit Baseballkappe aus einem staubigen, goldfarbenen Chevy Suburban steigt. Er würdigt mich keines Blickes, während er auf mich zukommt und eine Brieftasche aus der Hosentasche zieht.
    »Ich muss dich etwas fragen«, beginne ich, als meine Nichte abhebt. Es fällt mir schwer, mir nicht anmerken zu lassen, wie angestrengt ich bin. »Du weißt, dass ich noch nie neugierig war oder mich in dein Privatleben eingemischt habe.«
    »Das ist keine Frage«, entgegnet Lucy.
    »Ich habe lange überlegt, ob ich dich deswegen anrufen soll, aber jetzt muss es sein. Anscheinend ist es kein Geheimnis, dass ich gerade hier bin. Verstehst du, worauf ich hinauswill?« Ich kehre dem Mann mit der Baseballkappe, der gerade Geld am Automaten zieht, den Rücken zu.
    »Könntest du vielleicht ein bisschen weniger in Rätseln sprechen? Außerdem klingst du, als würdest du in einem Ölfass sitzen.«
    »Ich stehe an einem öffentlichen Telefon vor einer Waffenhandlung. Und es regnet.«
    »Was zum Teufel machst du in einer Waffenhandlung? Was ist passiert?«
    »Jaime«, erwidere ich. »Passiert ist nichts. Zumindest soweit ich weiß.«
    »Was ist los?«, erkundigt sich meine Nichte nach einer langen Pause.
    An ihrem Zögern und ihrem Tonfall erkenne ich, dass sie mir nicht weiterhelfen kann. Sie hat keine Ahnung, dass Jaime in Savannah ist. Also hat Jaime nicht durch Lucy von meinem Aufenthalt hier und den Namen meines Hotels erfahren.
    »Ich wollte nur sichergehen, dass du ihr nicht von meiner Reise nach Savannah erzählt hast.«
    »Warum sollte ich das? Was wird hier gespielt?«
    »Das kann ich auch nicht genau sagen. Ich weiß es schlicht noch nicht. Und du hast in letzter Zeit wirklich nicht mit ihr geredet?«
    »Nein.«
    »Hätte Marino einen Grund dazu gehabt?«
    »Weshalb? Welchen gottverdammten Grund könnte er haben, sie anzurufen?«, empört sich Lucy, als wäre Marino, der früher für Jaime gearbeitet hat, ein übler Verräter, wenn er mit ihr spricht. »Um ein bisschen mit ihr zu plaudern und ihr vertrauliche Informationen darüber zu geben, was du gerade tust? Das ergibt keinen Sinn«, fügt sie hinzu, und man kann ihre Eifersucht mit Händen greifen.
    Es macht keinen Unterschied, wie attraktiv und beeindruckend meine Nichte ist, sie kann einfach nicht glauben, dass sie jemals der wichtigste Mensch im Leben eines anderen sein wird. Früher habe ich sie mein grünäugiges Ungeheuer genannt. Sie hat nämlich die grünsten Augen der Welt und kann so ungeheuerlich unreif, unsicher und eifersüchtig sein. Wenn sie in diesen Zustand gerät, ist mit ihr nicht zu spaßen. Sich in einen Computer einzuhacken, ist für sie so einfach wie das Öffnen einer Kühlschranktür, und sie hat nicht die geringsten Skrupel, anderen nachzuspionieren oder ihnen vermeintliche Übergriffe gegen ihre eigene Person oder gegen Menschen, die sie liebt, heimzuzahlen.
    »Dass er keine vertraulichen Informationen weitergibt, will ich doch schwer hoffen«, entgegne ich, während ich wünsche, der Mann mit der Baseballkappe würde endlich am Geldautomaten fertig werden. Allmählich habe ich den Verdacht, dass er das Gespräch belauscht. »Nun, falls Marino etwas gesagt hat«, füge ich hinzu, »werde ich es früh genug herausfinden.«
    Ich kann hören, wie Lucy eine Tastatur bearbeitet. »Schauen wir mal. Jetzt bin ich in seinen Mails. Nein. Er hat ihr weder geschrieben noch umgekehrt.«
    Lucy ist die Systemadministratorin des CFC und hat Zugriff auf alle elektronischen Mitteilungen und Dateien auf dem Server, auch auf meine. Sie kommt an sämtliche Informationen heran, die sie will. Ausnahmslos.
    »Wenigstens nicht in letzter

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