Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)
Pressesprecher zu werden. War dir das bekannt?«
»Ich glaube, ich habe da was läuten hören.«
»Außer es gelingt mir, Farbmans Ernennung zu verhindern, wozu ich fest entschlossen bin. Wir können es nicht gebrauchen, dass jemand als Nächstes an der amerikanischen Verbrechensstatistik und an den Terrorwarnungen herumdoktert. Er ist nicht unbedingt ein Fan von mir.«
»Das war er noch nie.«
»Die Lage hat sich zugespitzt. Ich würde den Zustand unseres Verhältnisses als prekär bezeichnen, und ich habe vor, diejenige zu sein, die den Knall überlebt«, fährt sie fort. »Er wird mir nie verzeihen, dass ich ihm vorgeworfen habe, er habe, was New Yorks Kriminalitätsstatistik angeht, gelogen und die Daten gefälscht. Sicher erinnerst du dich daran, dass du aus ähnlichen Gründen mit ihm aneinandergeraten bist.« Sie stellt Teller auf den Küchenblock.
»Ich habe niemals ihn oder jemanden beim NYPD ausdrücklich der Datenfälschung beschuldigt.«
»Nun, aber ich, und ich kann mir nicht vorstellen, dass dich seine Machenschaften überraschen.« Sie kramt Servierlöffel aus einer Schublade.
»Er hatte schon immer die Angewohnheit, Statistiken so darzustellen und Geschichten so hinzubiegen, dass sie der Politik in den Kram passen. Aber dass man ihm Datenfälschung vorgeworfen hat, wusste ich nicht«, antworte ich.
»Du hattest wirklich keine Ahnung.«
»Nein«, beteuere ich. Allmählich habe ich den Eindruck, dass sie sich fragt, ob Lucy mir gegenüber etwas dergleichen erwähnt hat. Als Jaime Farbman zur Rede gestellt hat, waren sie und Lucy noch zusammen.
Marino schiebt mir über den Couchtisch Papiere zu. Ich greife nach der Fotokopie eines Dokuments, auf das das Georgia Prison for Women die Aufschrift VERTRAULICH gestempelt hat:
Empfohlene Vorgehensweise bei Hinrichtungen durch die
Injektion eines tödlichen Medikaments.
Es wird benötigt:
Thiopentalnatrium, Packung 5 gr/2 %, sterile 50 cc Spritze
Pancuroniumbromid-Injektion (20 mg), einfache intravenöse Infusion
Kaliumchlorid-Injektion, USP (40 mEq), sterile 20 cc Spritze
Darauf folgen Anweisungen für die Anmischung der in der Packung enthaltenen Medikamente, die Zubereitung der Lösung und das Anbringen eines Infusionsschlauchs an eine Nadel Größe 18 und einen Beutel mit Salzlösung, damit der Schlauch sich nicht verschließt. Ich bin erstaunt über den informellen, ja, fast lockeren Tonfall des Schriftstücks, einer Gebrauchsanweisung zur Tötung eines Menschen.
Achten Sie darauf, den Schlauch zu entlüften, damit er für
die Injektion bereit ist …
»Ich war so fair, mich direkt beim Polizeichef zu beschweren, anstatt an die Presse zu gehen«, schildert Jaime weiter ihre Auseinandersetzung mit Dan Farbman und dem NYPD.
Vergessen Sie nicht, den Häftling kurz vor der Verabreichung
jedes Medikaments zu untersuchen, um sicherzugehen,
dass der Katheter funktionstüchtig ist und dass keine
Infiltrierung der Infusionslösung stattgefunden hat …
»Leider ist der Polizeichef mit dem Bürgermeister befreundet. Es wurde richtig unangenehm«, erklärt Jaime. »Sie haben sich gegen mich verbündet.«
»Und deshalb hat das FBI beschlossen, meine Mails zu lesen und meine Telefone abzuhören? Weil du mit Farbman im Clinch liegst und ihm vorgeworfen hast, er würde Daten fälschen? Und weil ich vor ein paar Jahren auch ein paarmal mit ihm aneinandergeraten bin?« Ich kaufe ihr das nicht ab.
Marino legt mir die nächste Seite hin. Ich nehme sie und lese den markierten Absatz:
Nach der Injektion des Thiopentalnatriums in das Infusionssystem
wird es durch eine gewöhnliche Kochsalz lösung »eingespült«.
DIESER SCHRITT IST ÄUSSERST WICHTIG.
Verbleibt das Thiopentalnatrium in der
Leitung, kommt es bei der Einbringung des Pancuroniumbromids
zu einer Fällung, die möglicherweise den Schlauch verstopft.
»Wenn man sich Feinde macht, kann es unangenehm werden.« Jaime beantwortet meine Frage nicht. Sie entfernt die Papierhülle von den Essstäbchen. »Die Zustände in New York wurden so unerträglich, dass ich bei der Staatsanwaltschaft aufgehört habe. Meine Wohnung steht zum Verkauf. Ich überlege gerade, wo ich hinziehen soll.«
»Du hast dein Leben in New York wegen eines Konflikts mit Farbman aufgegeben? Das kann ich mir nur schwer vorstellen«, entgegne ich, während ich weitere Unterlagen sichte, die im Zusammenhang mit Georgias berüchtigtster Strafgefangener, dem Feinkostteufel, stehen.
Zwischen 1986 und
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