Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)
was die Vorgänge am 10. Februar bei dir zu Hause angeht, lügen, bis sie schwarz wird. Falls sie je einen Funken Glaubwürdigkeit besessen hat, ist die nun dahin.«
»Und deshalb sollte ich doppelt motiviert sein, dir bei deinen Ermittlungen zu helfen«, stelle ich fest.
»Gerechtigkeit, Kay. Und zwar an mehreren Fronten.«
»Wann hast du die DNA-Befunde bekommen?«
»Vor etwa einem Monat.«
»Im Zusammenhang mit meinem Fall hat man darüber nichts verlauten lassen. Sonst wüsste ich davon«, erwidere ich. »Aber ich habe kein Sterbenswörtchen gehört. Allerdings bedeutet das nicht, dass nicht andere im Bilde sind.«
»Weder Dawn noch ihre Anwälte ahnen, dass ihre DNA im Haus der Jordans gefunden worden ist, dem Schauplatz eines mehrfachen Mordes, der vor neun Jahren begangen wurde«, verkündet Jaime mit einer Gewissheit, die ich nicht teilen kann.
»Welches Labor hast du beauftragt?«, frage ich.
»Zwei verschiedene, unabhängig arbeitende Unternehmen in Atlanta und Fairfield, Ohio.«
»Und niemand weiß Bescheid«, wiederhole ich, immer noch skeptisch. »Auch nicht das FBI? Wie ich annehme, hat der Justizminister von Georgia die erneuten Tests genehmigt.«
»Ja.«
»Und er kennt die Befunde nicht?«
»Er und auch andere Entscheidungsträger verstehen, wie wichtig es ist, Informationen bis zum Ende der Beweisaufnahme unter Verschluss zu halten. Und ich bin noch ganz am Anfang.«
»Undichte Stellen sind die größte Bedrohung für jede Ermittlung «, weise ich sie auf einen Umstand hin, der vor nicht allzu langer Zeit eine Selbstverständlichkeit für sie gewesen wäre.
Sie fühlt sich unschlagbar. Vielleicht ist sie auch verzweifelt.
»Und meiner Ansicht nach ist der Bedrohungsfaktor im Zusammenhang mit undichten Stellen in diesem Fall besonders hoch«, füge ich hinzu. »Genau genommen sogar extrem hoch. Viele Menschen haben ein persönliches Interesse an der Sache Jordan, unter anderem einflussreiche Leute in der Landesregierung von Georgia. Denen könnte es möglicherweise peinlich sein, dass eine Anwältin aus New York aufkreuzt und feststellt, dass in einem der größten Mordprozesse hier ein Justizirrtum geschehen ist und dass ein junges Mädchen unschuldig zum Tode verurteilt wurde.«
»Ich bin doch nicht von gestern.«
»Natürlich nicht. Aber vielleicht bist du zu idealistisch. Es ist verständlich, dass du diesen Fall als Herausforderung siehst. Aber ich wäre dir keine große Hilfe, wenn ich dich nicht darauf hinweisen würde, dass du aller Wahrscheinlichkeit nach nicht unter dem Radarstrahl fliegst oder unter dem Deckmäntelchen der Verschwiegenheit arbeitest.« Ich denke an Tara Grimm und frage mich, ob sie die Befunde wohl kennt.
Sie wusste, dass Tests angeordnet worden waren. Von wem hat sie das?
»Also willst du mir helfen. Es freut mich sehr, das zu hören«, antwortet Jaime, wirkt aber nicht sehr erfreut.
Sie sieht müde und abgehetzt aus, ihr Blick wird schläfrig, und ihre Augen strahlen nicht mehr so, wie ich es von früher in Erinnerung habe. Außerdem scheint sie sich unwohl in ihrer Haut zu fühlen, rutscht ständig auf dem Sofa hin und her, schlägt die Füße unter und stellt sie dann wieder auf den Boden. Sie ist unruhig und trinkt zu viel.
»Ich helfe dir jetzt, indem ich dir klarmache, dass es möglicherweise Leute gibt, die die neuen DNA-Befunde kennen, und versuchen könnten, deine Ermittlungen zu stören, oder sogar bereits damit angefangen haben«, entgegne ich. »Die DNA-Proben, die du hast testen lassen, wurden in Codis eingegeben, was einen Treffer in der Liste der derzeit in Haft sitzenden Personen ergab. Daraufhin wurde Dawn Kincaid als Quelle identifiziert. Deshalb kannst du nicht sicher sein, dass das FBI nichts von Dawn Kincaid weiß, für die es sich wegen ihrer möglichen Täterschaft in einem neun Jahre zurückliegenden Mordfall brennend interessiert. Wenn der Justizminister im Bilde ist, gilt das vermutlich auch für den Gouverneur, der sich offenbar sehr für Lola Daggettes Hinrichtung einzusetzen scheint. In meinem Gespräch mit Tara Grimm stellte sich heraus, dass sie über die erneute Untersuchung der Beweisstücke informiert war, und dass es – ich zitiere – zu einem Massenexodus im GPFW kommen könnte.«
»Sie zeichnen dort alles auf Band auf«, entgegnet Jaime sachlich, als bereite mein Einwand ihr nicht das geringste Kopfzerbrechen. »Als ich in diesem Besucherzimmer in Haus Bravo saß, war mir verdammt klar, dass jedes Wort
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