Blut klebt am Karlspreis
um die Namen seiner beiden Assistenten.
Für einen Augenblick zögerte der Kommissar, dann gab er mir Auskunft. „Warum wollen Sie sie wissen, Herr Grundler?“, fragte er nach.
„Nur so, es könnte ja sein, dass ich Ihre Kollegen kenne“, wiegelte ich ab.
Böhnke schmunzelte. „Und das soll ich Ihnen glauben? Ich dachte, wir spielen mit offenen Karten.“
Es sei wirklich nichts Wichtiges, beteuerte ich. „Die beiden Kollegen sind bestimmt integer.“
Daran hatte der Kommissar keinerlei Zweifel. Er kam auf einen anderen Punkt zu sprechen: „Ich habe übrigens etwas für Sie. Besitzen Sie einen Videorecorder?“
„Nein“, musste ich zugeben, „weder Videorecorder noch Fernseher. Ich gehöre wahrscheinlich zu einer aussterbenden Rasse.“ Die letzte Glotze hatte ich an mein Patenkind verschenkt.
Ich solle mir die Geräte ausleihen, empfahl Böhnke. „Ich lasse Ihnen gleich eine Videokassette über den Polizeieinsatz an der Grenze in die Kanzlei bringen. Vielleicht entdecken Sie etwas, das wir und unsere niederländischen Kollegen übersehen haben. Oder ist heute niemand an Bord?“
,Warum nicht?’, fragte ich mich, ehe mir einfiel, dass wir schon Samstag hatten.
„Einer wird bestimmt im Büro sein“, antwortete ich, „wahrscheinlich macht unsere Arbeitsbiene Jerusalem wieder unbezahlte Überstunden.“ Anderenfalls solle er Sabine bitten, zur Theaterstraße zu fahren, schlug ich dem Kommissar vor.
„Kennen Sie diese Namen?“ Mit einem Überraschungsangriff versuchte ich mein Glück bei dem AZ-Reporter. „Ist einer der beiden Kriminalbeamten Ihr Verwandter?“
Der Journalist blieb zu lange stumm. „Wie kommen Sie darauf?“, fragte er endlich vorsichtig zurück. „Also ja“, folgerte ich. „Ist auch nicht weiter schlimm und bleibt unser Geheimnis.“ Ich würde ihn nicht verraten, beruhigte ich ihn. „Es ist nur gut zu wissen, wer auf welcher Seite steht. Alle, die auf unserer Seite stehen, sind in Ordnung.“ Ihn und die beiden Ordnungshüter würde ich unbesehen dazuzählen. „Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass Sie mit den Neonazis sympathisieren.“
Der Schreiberling schien verschreckt. Aber diese Retourkutsche hatte er sich allemal verdient. Ich würde nicht so schnell vergessen, dass er mich und unsere Kanzlei zwischen den Zeilen madig gemacht hatte.
„Keine Bange“, fügte ich schnell hinzu, „ich stecke Sie und Ihren Verwandten nicht in die rechte Ecke.“
,Wenn sie tatsächlich dort stünden, hätte das Leben ohnehin keinen Sinn mehr in dieser Stadt, die im Dritten Reich eine Hochburg des politischen Widerstands gegen die Braunen gewesen war’ dachte ich mir. Nicht zuletzt aus dieser demokratischen Überzeugung heraus war der Karlspreis als Frieden schaffendes Instrument nach dem Krieg ins Leben gerufen worden.
So viel historisches Wissen über die Kaiserstadt hatte ich schon, auch wenn ich niemals die höheren Weihen eines anerkannten Öchers bekommen würde.
„Warum haben Sie heute den Artikel über den vermuteten Attentatsversuch geschrieben oder schreiben lassen?“, fragte ich.
Wieder blieb der Schreiberling stumm. „Soll ich etwa warten, bis eine andere Zeitung die Geschichte bringt?“, fragte er endlich zurück. „Jetzt kann sich die Öffentlichkeit jedenfalls auf die Situation einstellen. Die Situation ist doch nicht falsch dargestellt, oder?“
Im Prinzip hatte der Mann Recht, musste ich eingestehen. „Herr Grundler, ich sage es Ihnen, da braut sich etwas zusammen. Ich habe ein verdammt ungutes Gefühl.“
„Wie kommen Sie darauf?“
Ich war einigermaßen erstaunt, wie geschickt der AZ-Reporter die einzelnen Bausteine, die er kannte, zusammengefügt hatte. Loogen, die Prügelei an der Grenze, der tote Niederländer im Zug, die Anschläge in Bonn und Düsseldorf hatte er in seiner Analyse verarbeitet und war dabei zu dem Schluss gekommen: „Hier will augenscheinlich jemand das Karlspreisfest torpedieren. Da hat es jemand auf den Premier abgesehen.“
Ich konnte dem Journalisten nicht widersprechen und zog es vor, zu schweigen.
„Wir haben übrigens in der Redaktion einen anonymen Anruf bekommen“, fuhr der Reporter nach einer kurzen Pause fort. „Heute soll es Bombenanschläge im Hauptbahnhof und in der Elisen-Galerie geben. In einer Stunde, um zwölf Uhr, würden die Dinger hochgehen. Wir sollen die Polizei alarmieren.“
„Und? Haben Sie es getan?“
„In diesem Fall schon“, erhielt ich zur Antwort.
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