Blut klebt am Karlspreis
wurde. Wir sollten gefälligst die Klappe halten, raunzte er und verkroch sich in seinen Fernsehsessel.
Wer so seinen Freund begrüßt, der gerade dem Tod knapp entgangen ist, dem gehörte eigentlich etwas aufs Maul, meinte ich zu Do, die mich fest an sich drückte. „Dieter ist genauso froh wie ich, dass dir nichts passiert ist. Der war wütend wie selten, dass er dir nicht helfen konnte. Ich glaube, der hätte eigenhändig den Mistkerl umgebracht, der die Briefbombe gebastelt hat, wenn dir etwas passiert wäre. Dieter will dir nur nicht zeigen, wie sehr er sich Sorgen gemacht hat, Tobias.“
Augenblicklich machten ihm offensichtlich die Alemannen Sorgen, die sich schon nach kurzer Spielzeit einen Gegentreffer eingefangen hatten und nun vergeblich auf den Ausgleich drängten. Der promovierte Alemannen-Fan litt immer noch mit den Kickern. Dieter würde sein Leben lang schwarz-gelb träumen.
Bei den Farben würden wir bleiben, wenn wir das Video betrachteten, sagte ich ihm freundlich. „Roda hat doch auch schwarz-gelb, oder?“, fragte ich, derweil Dieter die Kassette einschob und verschiedene Knöpfe an der Fernbedienung drückte. „Sei still“, brummte er einsilbig und starrte auf die Mattscheibe, auf der eine Menschenmenge erkennbar wurde.
Schlachtgesänge wurden gegrölt, auf beiden Seiten standen Fanatiker, die größtenteils in den Vereinsfarben von Kerkrade oder Mönchengladbach gekleidet waren und sich gegenseitig beschimpften. Mehr und mehr Maskierte bevölkerten die Szene, sie trugen allesamt schwarze Sturmmützen mit Augenschlitzen und waren zum großen Teil mit Ketten und Schlägern bewaffnet. Es war erkennbar, wie die Stimmung aggressiver wurde. Wie auf ein Kommando hin stürmten beide Gruppen von den Straßenrändern auf die Mitte und gegeneinander. Die Kamera hatte Mühe, dem undurchsichtigen Geschehen zu folgen, schnell wechselten die Motive, manchmal änderten sich schon nach wenigen Augenblicken die Einstellungen, kamen wieder andere Gestalten ins Bild.
Nur verschwommen konnte ich erkennen, wie jemand einen Baseballschläger schwang und niedersausen ließ. „Stopp!“, rief ich Dieter zu. „Das soll die Szene mit Loogen gewesen sein.“
Schulz hantierte mit der Fernbedienung, ließ den Film einige Sequenzen zurücklaufen, um dann Bild für Bild einzeln vorwärts springen zu lassen. An der richtigen Stelle hielt er die Aufzeichnung an.
Undeutlich war Loogen zu erkennen, unmittelbar hinter dem Schläger.
„Auf den ersten Blick könnte man tatsächlich meinen, der Junge habe zugeschlagen“, sagte Sabine. „Aber nur auf den ersten Blick.“ Denn schon das nächste Bild zeigte, wie Loogen den Kopf zur Seite drehte, während sich der Schläger senkte. „Der sieht ganz woanders hin“, meinte Do. Das würde er garantiert nicht tun, wenn er zuschlagen wollte. „Der Film entlastet Loogen eher, als dass er ihn belastet“, folgerte Dieter. „Ob das der Grund ist, weshalb die Polizei den Streifen zurückgehalten hat?“
Ich zuckte ahnungslos mit den Schultern. „Das muss einen anderen Grund haben. Aber welchen?“ Ich schloss die Augen und dachte nach. „Vielleicht, so vermute ich einmal, zeigt das Video Personen, die die Polizei nicht gerne in der Öffentlichkeit zeigen will. Informanten vielleicht oder so“, sagte ich.
Dieter hatte den Film in der Zwischenzeit mit normaler Geschwindigkeit weiterlaufen lassen. Bald erschienen von beiden Seiten der Grenze Polizisten und rissen die prügelnde Schar auseinander.
„Das war’s dann“, meinte Dieter trocken, „außer Spesen nichts gewesen und ich kann endlich ‘Wetten, dass…’ gucken.“ Er blickte um Zustimmung bittend in unsere Runde.
Auch ich sah mich um und erkannte, dass Sabine sich unruhig auf die Unterlippe biss. „Was ist?“, fragte ich meine Freundin verwundert. „Nichts“, antwortete sie. „Ich habe nur geglaubt, auf dem Video kurz einen Menschen erkannt zu haben, der schon einmal bei uns in der Kanzlei gewesen ist. So weit ich mich erinnern kann, wollte er zu dir, Tobias.“
„Wo hast du ihn gesehen?“ Dieter ließ übertrieben beflissen die Kassette zurücklaufen.
„Kurz nach der Szene mit Loogen, da ist der Mann für einen Moment durch das Bild gehuscht.“
Wieder ließ Schulz, beginnend mit dem Abschnitt, der Loogen zeigte, das Video Bild für Bild vorwärts laufen. Es kam die Passage, bei der ich nachdenklich die Augen geschlossen hatte. „Stopp!“ Diesmal war Sabine an der Reihe. „Da
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